Aarau,
in SpitzBiername eines der Lehrer Wedekinds an der Kantonsschule Aarau, der Klarname ist bisher nicht ermittelt. – Offenbar hatten die Lehrer ihre eigenen Zimmer, in denen sich Schüler aufhalten durften, wenn dort kein Unterricht stattfand. So wurden beispielsweise Sitzungen der Schülerverbindung Industria Aarau wiederholt „auf Hr. Professor Leupold’s Lehrzimmer“ [AIA, Protokollbuch 1882, Sitzungen 430-438], außerordentliche Sitzungen auch „auf Hr. Professor Fisch’s Lehrzimmer“ [ebd., 9.6.1882] abgehalten.ens Schulzimmer.
O Sturmwind,
Soeben erhielt ich deinen werthen Briefvgl. Minna von Greyerz an Wedekind, 2.12.1883. und beeile mich, ihn zu beantworten, da
ich heute Nachmittag beschäftigt bin. Weil ich gesternMontag, den 3.12.1883. – Vermutlich war der Zugverkehr zwischen Lenzburg und Aarau, wo Wedekind die Schule besuchte, wegen „Regen und Schneefall“ kurzzeitig eingestellt worden [vgl. Neue Zürcher Zeitung, Jg. 63, Nr. 337, 3.12.1883, Ausgabe 2, S. (2)]. nicht in der Schule war, bekam ich ihn erst heute morgenDienstag, den 4.12.1883.. Er machte
allerdings einen höchst eigenthümlichen Eindruck auf mich und wenn dir mein Schreibenvgl. Wedekind an Minna von Greyerz, 30.11.1883. als „wild
dahin brausender Bergstrom“ erschien, so kommt mir deiner vielmehr wie ein
kühlender Regenschauer, oder noch besser, wie ein Schneegestöber vor. Es mag
dies weniger deine Schuld sein, als eben in der Sache selbst liegen. Ach, wie
konnte ich auch erwarten, dasSchreibversehen, statt: daß.
du, o du, mich nicht verständ verstehen werdest. |
Allerdings fällt mir erst jetzt wieder ein, wie dunkel
und verworren meine Worte waren; aber du hast mich auch gar nicht, in keiner
Weise, verstanden. Oder wäre es möglich? Sollte es vielleicht nur Malice(frz.) Bosheit, Tücke. nur RanküneRankune (frz.) Groll; Rachsucht. sein, die mir das
Geständniß in seinem ganzen Umfang aus dem Herzen pressen soll? – Nach dem was
ich bei Hartman und
Golz über die FrauenDerartige Urteile konnte Wedekind in Eduard von Hartmanns „Phänomenologie des sittlichen Bewusstseins“ (1879) sowie in Bogumil Goltz’ vielgelesener Abhandlung „Zur Charakteristik und Naturgeschichte der Frauen“ (1859) in großer Zahl finden. Hartmann spricht Frauen z. B. die Fähigkeit zu moralischem Handeln nach Vernunftprinzipien ab; „Rechtlichkeit und Gerechtigkeit“ seien „die Charaktereigenschaften, welche von allen bisher betrachteten moralischen Triebfedern beim weiblichen Geschlecht im Durchschnitt am schwächsten vertreten“ seien. „Das weibliche Geschlecht ist das unrechtliche und ungerechte Geschlecht“, [...] vom Repressionsrecht mache es „aus Eigennutz“ oder „Rachsucht“ Gebrauch, fast alle Weiber seien „geborene Defraudantinnen aus Passion“ und hätten „zur Lüge“ wie „zur Fälschung [...] eine instinctive Neigung“. [Eduard von Hartmann: Phänomenologie des sittlichen Bewusstseins. Prolegomena zu jeder künftigen Ethik. Berlin 1879, S. 522f.] Bogumil Goltz meint u. a.: „Die Frauen zeigen alle Liebenswürdigkeiten und Schrecken der elementaren Natur. Sie sind divinatorisch, phantasiereich, naiv, bildkräftig, erfinderisch, witzig, graziös; aber zugleich wetterwendig, farbenwechselnd und in Augenblicken so egoistisch, verhüllend, listig, unwahr und unbarmherzig als die Natur, als die Sinnlichkeit, welche in ihren Metamorphosen ein Ringen nach Einheit und Ruhe, nach dem vernünftigen Geiste darlegt, den sie erst im Manne erlangt.“ [Bogumil Goltz: Zur Charakteristik und Naturgeschichte der Frauen. 2. Auflage, Berlin, 1863, S. 91f.] gelesen habe, läge
diese Vermuthung allerdings nicht so schrecklich fern. – So will ich dich denn in
deiner Speculation nicht täuschen, sondern im Gegentheil durch blanke,
unbemäntelte Aufrichtigkeit die glühendsten Kohlendurch Wohltaten jemanden beschämen; Böses mit Gutem vergelten – biblische Redewendung („Feurige Kohlen auf’s Haupt sammeln“) [Büchmann 1879, S. 37 (Römerbrief 12,20)]. auf Dein Haupt sammeln.