Hochverehrte liebe Frau EllyElly Hirschfeld (geb. Leßer) lebte mit ihrem Ehemann Georg Hirschfeld seinerzeit in Berlin (Würzburger Straße 15) [vgl. Berliner Adreßbuch 1905, Teil I, S. 807].!
Wenn ich Ihnen beichte, daß wir, mein Bruder und
ich, Montagder 26.9.1904, der Abreisetag von Berlin (siehe unten). Frank Wedekind, der während seines Aufenthalts in Berlin (22. bis 26.9.1904) den Prolog zum „Erdgeist“ im Neuen Theater gesprochen hat, notierte am 25.9.1904 (Sonntag), seinem letzten Abend in der Stadt, eine Zechtour mit seinem Bruder Donald Wedekind durch drei Lokale, die Bar des Restaurant Riche (Unter den Linden 27), die Künstlerklause Carl Stallmann (Jägerstraße 14) und das Weinlokal von Clara Helmer (Jägerstraße 19): „Abends Prolog. [...] dann bei Wedel Stallmann und Witwe Helmer mit Donald“ [Tb]. früh erst gegen neun Uhr zu Bett gekommen sind und ich erst um drei
Uhr nachmittags mit einem schweren Katzenjammer | und einer Fülle von
Geschäften, die noch bis zum AbendWedekind notierte am 26.9.1904 in Berlin: „Abschied im Neuen Theater. Ich packe. [...] Abfahrt nach München.“ [Tb] besorgt werden mußten, aufgestanden bin ‒ habe ich dann eine schwache Aussicht auf Ihre
Verzeihung? Es wäre mir aufrichtig gestanden sehr schmerzlich wenn Sie und Herr
Hirschfeld mein NichterscheinenWedekind war in Berlin offenbar am 26.9.1904 mit Elly und Georg Hirschfeld verabredet, erschien aber nicht, wofür er sich im vorliegenden Brief entschuldigt. anders auffassen wollten als das SymtomSchreibversehen, statt: Symptom. eines
Menschen | der die ganze Nacht und den halben Morgen verbummelt hat und im
Bewußtsein seiner Hinfälligkeit nicht mehr wagt, sich in geordneten
Verhältnissen zu presentierenSchreibversehen, statt: präsentieren.. Ich werde wie ich Ihnen schriebHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Elly Hirschfeld, 26.3.1904., diesen Winter
voraussichtlich auch auf längere Zeit nach BerlinWedekind kam im Winter 1904/05 nicht nach Berlin. kommen und mein erster | Gang
wird mich dann zu IhnenWedekind traf sich dem Tagebuch zufolge erst im Jahr darauf in München mit Elly und Georg Hirschfeld, am 18.3.1905 („mit Hirschfelds im Parkhotel und in der Bar“), am 19.3.1905 („mit Hirschfelds im Parkhotel und der Torggelstube“) und dann wieder am 29.4.1905 („Treffe Georg Hirschfeld und Frau“); in Berlin traf er sie erst am 15.9.1906 („mit [...] Hirschfeld und Frau bei Treppchen“) – da waren sie in der Stadt zu Besuch und lebten bereits in Dachau bei München. führen. Zu meiner großen Freude hörte ich, daß „Nebeneinander“
wie es das Stück verdient, in Hamburg einen sehr großen ErfolgGeorg Hirschfelds Schauspiel „Nebeneinander“ hatte unter der Regie von Carl Heine am 15.9.1904 am Deutschen Schauspielhaus (Direktion: Alfred von Berger) in Hamburg Premiere, den Presseurteilen zufolge erfolgreich: „Das neue Stück von Georg Hirschfeld [...] errang bei der gestrigen Erstaufführung einen starken Erfolg.“ [F.R.: Deutsches Schauspielhaus in Hamburg. In: Altonaer Nachrichten, Jg. 55, Nr. 436, 16.9.1904, Morgen-Ausgabe, S. (2)] „Herr Dr. Heine hat das Werk mit Glück und Liebe einstudiert; die Aufführung war prächtig.“ [Paul Bornstein: Deutsches Schauspielhaus. „Nebeneinander“, Schauspiel in drei Akten von Georg Hirschfeld. In: Neue Hamburger Zeitung, Jg. 9, Nr. 435, 16.9.1904, Morgen-Ausgabe, S. (2)] „Die Donnerstag mit außerordentlichem Beifall aufgenommene Novität ‚Nebeneinander‘ von Georg Hirschfeld ist für Sonntag, Dienstag und Freitag angesetzt.“ [Deutsches Schauspielhaus in Hamburg. In: Altonaer Nachrichten, Jg. 55, Nr. 440, 18.9.1904, Morgen-Ausgabe, S. (3)] Wedekind dürfte über den Erfolg der Hamburger Premiere durch Carl Heine oder Beate Heine informiert worden sein. Er hatte die Uraufführung des Stücks am 25.3.1904 im Münchner Residenztheater wohl besucht [vgl. Wedekind an Karl Kraus, 24.3.1904] und dürfte bei dieser Gelegenheit dem Verfasser begegnet sein, der dazu nach München angereist war, wie die Presse meldete: „Im Residenztheater fand gestern die Uraufführung des dreiaktigen Schauspiels ‚Nebeneinander‘ von Georg Hirschfeld eine sehr freundliche Aufnahme [...]. Der anwesende Autor konnte nach dem zweiten und dritten Akte wiederholt mit den Darstellern erscheinen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 57, Nr. 145, 26.3.1904, Morgenblatt, S. 3] gehabt hat. Wollen
Sie Herrn Hirschfeld bitte meinen aufrichtigen Glückwunsch dazu aussprechen.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr ergebenster
Frank Wedekind.