Aarau 1 Juni 81.
Lieber Franklin!
Du weisst nicht wie glücklich du bist, im
Genusse deiner ländlich idylischen
Ruhe. Ich würde jeden Augenblick mit dir tauschen. Da sitz ich in meiner
Bude wie ein nach f/F/reiheit ringender Vogel der den Aetherpoetisch: Luft.
durchstreifen möchte & nun gebunden & mit lahmen Flügeln in seinem
Kerker sitzen muss. Da verduftet die Lust zum DichtenOskar Schibler war im Februar dem von Wedekind und Walter Laué gegründeten Dichterbund „Senatus poeticus“ beigetreten [vgl. Wedekind an Walter Laué, 11.2. bis 28.2.1881].. Höchstens macht sich etwa dann & wann
ein Seufzer aus der gedrängten Brust los, der hohnlacht der
strebenden, lächerlichen Menschheit, die stolz auf ihre Thaten &
Anstrengungen schaut die doch im Grunde sehr wenig zu bedeuten haben. Ja es ist
lächerlich dass man gebunden ist die paar Jahre welccheSchreibversehen, statt: welche. man auf der Erde zu vegetiren hat. |
Wahrlich mit der Erkenntnis & Einsicht kam das Unglück
auf die Erde. Doch wozu diese weltschmerzlichen Gedanken. Verlachen wir sie so lange
wir noch jung sind; sie kommen auch ans Ziel.
Um auf den Inhalt d/D/eines letzten BriefesWedekind an Oskar Schibler, 26.5.1881. überzugehen, so glaube ich,
dass da/er/ Stoff das StückWedekind schrieb das Stück nicht. für den Maturitäs/t/swixDer Festkommers, den die Abiturienten am Abend der Zeugnisübergabe mit den Schülern der unteren Klassen feierten, war auf den 15.4.1882 terminiert. alles
zusammen enthalten soll gerade das conglomerat reizt & macht das ganze
Stück pikant. Es ist allerdings ziemlich schwierig ein passendes Stück zu
schreiben das tragisch, sentimental fidel, picant sein soll. Du
musst hiezu schon eine Studentengeschichte wählen. Was machst du eigentlich den
ganzen Tag? In höheren Sphären schweben oder in ganz prosaischen? |
Ich wollte ich könnte auch mit d/D/ir im HerbstOskar Schibler wünschte sich, die Schullaufbahn in Solothurn fortzusetzen, wie Wedekind dies vorhatte [vgl. Carl Schmidt an Wedekind, 6.5.1881].! Das hätten aber unsere Altendie Eltern. wieder nicht
gern. Item(schweiz.) kurz, „wenn man eine längere Rede über einen Gegenstand als unnötig abbricht“ [Schweizerisches Idiotion Bd. 1, 1881, S. 601: https://digital.idiotikon.ch/idtkn/id1.htm#!page/10601/mode/1up/search/item]. wir wollen
sehen. Kommt R/Z/eit kommt Rath.Redewendung.
Hast du vielleicht einige Fragmente der poetisch behandelten
DisciplinarordnungDiese gehörte zum Reglement der Kantonsschule Aarau, das Wedekind in Knittelverse übersetzt den ehemaligen Mitschülern im Mai hatte schenken wollen [vgl. Wedekind an Oskar Schibler, 26.5.1881].?
Wenn ja so schick mir sie gefälligst. Ich kann sie vielleicht verwenden ohne
dem Ruhme des Namens des Autors Abbruch zu thun. Wenn du Zeit & Lust hast
so können wir uns ja Sonntagder 5.6.1881, Pfingstsonntag. Nachmittags irgendwo treffen zwischen Aarau & Lenzburg. Wir kehren dann nach Lenzburg
zurück kneipen ein wenig herum & ich fahre dann Abends nach | Hause.
Überlegs & schreib mir bald die Antwort. Wie steht es mit unserer Sommerkunstreise?
Hoffentlich kommt sie zu Stande. Wenn du mir eine definitive Antwort geben
kannst so will ich dann mit dir im Einverständniss die Route studiren. Aber nur
wir 2 dann wirds fidel.
Brüner
& DurrerKarl Briner und Abälard Durrer, zwei ehemalige Mitschüler Wedekinds, die jetzt mit Oskar Schibler die III. Klasse des Gymnasiums der Kantonsschule Aarau besuchten. ochsen
auch immer noch an einem Reiseplan herum; aber mit den 2 wollt ich nicht gehen.
Leb wohl bis Sonntag wo wir uns hoffentlich wieder einmal
sehen werden & einige Augenblicke zusammen sein können. Dein
getreuer
HildebrandBier- oder Kneipname Oskar Schiblers..