Postkarte.
Carte postale. –
Cartolina postale.
Herrn Franklin
Wedekind, stud.
hum.
Gymnasium (Secunda)
Aarau.
andernfalls: Schloß Lenzburg |
Bern, RabbenthalStadtquartier in Bern. 13 Oct. 82.
Mein lieber Vetter,
Mit Beginn eures
WintersemestersDas Wintersemester (3. und 4. Quartal) im Schuljahr 1882/83 dürfte am 30.10.1882 begonnen haben [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule. Schuljahr 1882/83, S. 9]. wird
im Aarauer Gymnasium ehe/in/ ehemaliger Gymnasiast aus der Lerberschule1859 in Bern von dem Pietisten Theodor von Lerber gegründete Knabenschule, die sich als Gegenentwurf zum säkularen Bildungsideal der liberalen Regierung verstand [vgl. https://www.freigymer.ch/de/hauptnavigation/philosophie/geschichte-9.html]., Namens SternTheodor Stern, mit dem sich Wedekind anfreundete [vgl. Theodor Stern an Wedekind, 29.4.1883]. einrücken, mit dem
ich vormals kameradschaftlich bekannt war; da derselbe somit in eine andere
Athmosphäre geräth, als wie er bisher gewohnt sein mochte, zumal da sein Vater die Stelle eines Predigers
der freien KirchePastor Alexander Stern-Zäslin, zuvor reformierter Prediger in Kallnach (Kanton Bern), zog mit seiner Familie nach Aarau in die Bahnhofstraße 1019, wo der Evangelische Verein gemeldet war: „Stern-Zäslin, Alexander, Pfarrer, von Karlsruh, Bahnhofstraße 1019“ [Adreß-Buch der Stadt, Aarau 1884, S. 46, vgl. auch ebd. S. 66].
bekleiden wird (in Aarau), so wird er es mir danken, wenn ich ihm den Weg zu
wenigstens einer Bekanntschaft anbo/a/hne. Und so ersuche ich Dich denn
freundlich den jungen Mann in Dein Wohlwollen aufzunehmen; ich glaube daß er
Dir noch gefallen wird; denn er ist so weit ich ihn kenne, recht jugendlichen
Muths u. nicht ohne Talent; er laborirt
sogar am Pegasusim Sinne von: schreibt Gedichte; in der Bedeutung des geflügelten Pferdes (Pegasus) als Dichterross. herum. Ich benutze die Gelegenheit, um Dir selbst die
besten Wünsche u. Grüße zu schicken; ich zehre noch lange an der frohen
Erinnerung unsres gemüthlichen
BeisammenseinsDas Treffen dürfte in den Sommerferien 1882 in Lenzburg stattgefunden haben, bei oder mit der gemeinsamen Cousine Minna von Greyerz, der Wedekind am Ende des Sommers Grüße an Otto von Greyerz ausrichten ließ [vgl. Wedekind an Minna von Greyerz, 31.8.1882]. u freue mich aufrichtig auf die nächste Gelegenheit, die mich mit Dir oder Armin zusammenführen
wird. Inzwischen bleibe ich in guter Freundschaft
Dein quasi VetterOtto von Greyerz und Wedekind waren nicht verwandt. Die unechte „quasi“-Verwandtschaft war durch die gemeinsame Cousine Minna von Greyerz hergestellt, die väterlicherseits mit Otto von Greyerz, mütterlicherseits mit Wedekind verwandt war.
Otto. (vGr.)Otto von Greyerz aus Bern studierte seit dem Sommersemester an der philosophischen Fakultät der dortigen Universität (Imatrikulation 19.4.1882); die Matura hatte er am Gymnasium in Burgdorf bestanden [vgl. Matrikelbücher der Universität Bern, Sommersemester 1882, Nr. 4301 (Staatsarchiv des Kantons Bern, Signatur: BB IIIb 1159)]. Er wurde Lehrer für Deutsch, später Professor für Sprache, Literatur und Methodik der deutschen Schweiz an der Universität Bern und schrieb Gedichte und Theaterstücke.
In 8
Tagen werde ich
ZofingerMitglied des Zofingervereins, einer nichtschlagenden schweizerischen Schüler- und Studentenverbindung. – Für das Amtsjahr 1886/87 wurde Otto von Greyerz zum Zentralpräsident des überregionalen Vereins gewählt..