Aarau,
Sonntag 8. JuliSchreibversehen, statt: Sonntag 9. Juli. Der 8. Juli war 1882 ein Samstag (zuletzt war das 1877 der Fall, dann wieder 1888). Das Schreiben ist irrtümlich dem Redakteur (Johann Jakob Spühler) des „Festblattes für das Eidgenössische Turnfest in Aarau“ zugeschrieben und auf den 8.7.1882 datiert worden [vgl. KSA 1/II, S. 2205] ‒ im genannten Festblatt ist am 30.7.1882 Wedekinds Gedicht „Turnergruß“ [KSA 1/I, S. 60] erschienen. Verfasser des Briefs war aber eindeutig (einem Handschriftenvergleich zufolge) Wedekinds Geschichtslehrer Eduard Leupold, der Präsident des Empfangskomitees des eidgenössischen Turnfests war und die Publikation der Verserzählung „Wie man sich in Aarau auf das eidgenössische Turnfest rüstet“ [KSA 1/I, S. 55-60] mit vorliegendem Schreiben ablehnte.
Die Poesie ist für unsere ZweckeEduard Leupold veröffentlichte selbst einen Presseartikel „Zum eidgenössischen Turnfest“, in dem er auf die Geschichte des Turnfests und auf die Vorbereitungskomitees in Aarau einging [vgl. Aargauer Nachrichten. Jg. 28, Nr. 173, 24.7.1882, S. (1f.)]; möglicherweise bezog er sich auf das geplante Festblatt, das „in kurzen Zügen die Hauptmomente des Festlebens skizziren, die Verzeichnisse der alten und jungen Turner und der theilnehmenden Vereine bringen, das gesprochene Wort fixiren, und so ein Erinnerungsblatt an die 50jährige Jubiläumsfeier des schweizerischen Turnvereines werden“ [Festblatt für das Eidgenössische Turnfest in Aarau, Nr. 1, 30.7.1882, S. (1)] sollte; im Verlag H. R. Sauerländer in Aarau erschienen vom 30.7.1882 bis 2.8.1882 vier Nummern des Festblatts. doch etwas zu „freimüthig“.
Sie steckt zwar voll guter Ideen; allein es fehlt ihr an Disziplin: sie kommt
zu sehr vom Hundertsten zum Tausendsten. –
Die Mitwirkung des Olympos„Selbst des Olympos alten Götterkreis […] Zieht man hinunter in das Festgewimmel.“ [KSA 1/I, S. 56] ist etwas an den Haaren
herbeigezogen; das Gebet an Vater ZeusAls „Gebet“ [KSA 1/I, S. 57] ist die Passage auch in der Verserzählung bezeichnet, die mit der Anrede „O, Vater Zeus“ [KSA 1/I, S. 56] beginnt. steckt voll überflüssiger
Philosophie, welche vom lesenden Philister nicht goutirt würde. Die
Erinnerungsseligkeit des PhilistersAnspielung auf die Verse „Doch wer dereinst mit fröhlichen Genossen / Als flotter Musensohn den Freundschaftsbund geschlossen, / Der sieht im Geiste seine muntern Brüder“ [KSA 1/I, S. 56]. und seine Hoffnung„Und denkt an manchen Freund zurück. Wer weiß, ein günstiges Geschick / Führt sie vielleicht in seine Arme wieder.“ [KSA 1/I, S. 56], einen alten
Studienkameraden wieder zu finden, paßt denn doch auf nur sehr wenige alte Turner,
da Turnerei und StudenthumSchreibversehen, statt: Studententhum. Gottlob! noch lange nicht identisch sind.
Der Passus über die oratorischeDas Adjektiv ‚oratorisch‘ bezeichnet bildungssprachlich die zum Ausdruck kommende Fähigkeit als Redner. Präparation
des FestpräsidentenDie Passage, in der „der Präsident der Festlichkeiten […] eine schöne Rede halten will“ [KSA 1/I, S. 59], bildet den Schluss der Verserzählung und schildert witzig, wie der Festpräsident mühevoll seine feierliche Rede entwirft. ist recht humoristisch; doch würde sich der dermalige Herr
Festpräsi|dent, unser Herr ErziehungsdirektorLudwig Karrer, von 1879 bis 1886 Direktor des kantonalen Erziehungsdepartements, war Präsident des Turnfests in Aarau. Seine Rede ist im „Festblatt für das Eidgenössische Turnfest in Aarau“ vom 30.7.1882 abgedruckt [vgl. KSA 1/II, S. 2204]., eine solche Schilderung höchst
wahrscheinlich energisch verbeten. −
Recht hübsch gelungen ist die Stelle über die
Festvorbereitungen innerhalb der FamilienDie Passage beginnt in der Verserzählung mit den Worten „So denkt der Herr Papa, erwartungsvoll“ [KSA 1/I, S. 58].. Ueber die hochpatriotische
Thätigkeit der Comite’sÜber die zahlreichen Komitees (Central-, Quartier-, Empfangs-, Preis-, Finanz-, Organisations- und Dekorationskomitee sowie einzelne Straßenkomitees) die anlässlich der Jubiläumsveranstaltung gebildet worden waren, standen im Juli 1882 in den „Aargauer Nachrichten“ täglich Berichte. hätte
möchte allerdings noch mehr gesagt werden, da dies die humoristische Seite des
ganzen Festes bildet. Freilich müßte der Verfasser einmal einen Blick haben
werfen dürfen hinter die Coulissen des Organisations- und Finanzcomite’s, in
die schweren „Nöthen“ der Budgetberathung und des finanziellen Gleichgewichts.
Auch der KranzdamenDas „Dekorations-Comité“ bat mit dem Gedicht „Windet zum Kranze die lieblichen Rosen / Flechtet der Tanne duft’nes Grün / Farbige Wimpel mit Lüften kosen, / Lasset die Herzen festlich erglüh’n!“ [Aargauer Nachrichten. Jg. 28, Nr. 159, 7.7.1882, S. (3)] in Anzeigen die Damen um das Winden von Rosen- und Mooskränzen für die Dekoration von Straßen und Plätzen. und der emsigen PreisspenderinnenExplizit forderte das „Preis-Comité“ in seinen regelmäßigen Presse-Anzeigen die weibliche Bürgerschaft zu Spenden auf: „Wir wenden uns namentlich auch an die verehrten Frauen und Jungfrauen Aarau’s, in der angenehmen Erwartung, daß sie, althergebrachter Tradition folgend, die Turner auch dieses Mal mit vielen schönen Preisen erfreuen werden“ [Aargauer Nachrichten. Jg. 28, Nr. 158, 6.7.1882, S. (4)]. hätte Erwähnung gethan
werden können.
Also, nichts für ungut, Herr Verfasser, − aber zu einer
offiziellen Publication müßte die PoiseïAnspielung auf die Verszeile „Ein jeder Jüngling macht in Poësei“ [KSA 1/I, S. 57]. erst noch beschnitten &
umgearbeitet werden.