Nachdem E. Wolgeboren sich im Land befindenWedekind trat zur Eröffnung des von Felix Salten gegründeten Jung-Wiener Theaters Zum lieben Augustin im Theater an der Wien am 16.11.1901 (sowie in den Tagen darauf bis zum 22.11.1901) mit dem Vortrag eigener Lieder auf [vgl. Programmheft: https://www.theatermuseum.at/online-sammlung/detail/81854/]. Marie Reischl erfuhr davon vermutlich aus der Presse, die Wedekinds Gastspiel schon Anfang des Monats angekündigt hatte: „Frank Wedekind, der seit einem halben Jahr in München bei den ‚Elf Scharfrichtern‘ seine modernen Balladen vorträgt, hat mit den ‚Jung-Wiener Theater zum lieben Augustin‘ einen Gastspielvertrag abgeschlossen. Der Dichter trifft schon am 14. d. zu den Proben hier ein und wird am Eröffnungsabend auftreten.“ [Neues Wiener Tagblatt, Jg. 35, Nr. 304, 5.11.1901, S. 9], u. zwar in ziemlicher NäheDornach ist rund 130 Kilometer von Wien entfernt., machen wirMit ihrer Einladung wandten sich Marie Reischl und Marie Uhl, Urgroßmutter und Großmutter von Wedekinds Sohn Friedrich Strindberg, gemeinsam an Wedekind; im folgenden Brief antwortete Marie Uhl wiederum in beider Namen auf Wedekinds Absagen [vgl. Marie Uhl an Wedekind, 22.11.1901]. Ihnen die
freundliche Einladung Ihr SöhnchenFriedrich Strindberg, der gemeinsame Sohn von Frida Strindberg und Frank Wedekind, wuchs seit 1899 in der Obhut seiner Großmutter Marie Uhl und seiner Urgroßmutter Marie Reischl im oberösterreichischen Saxen und Dornach auf. zu besuchen.
Jedenfalls aber nicht ohne uns zu verständigen an welchem
Tage Sie hier eintreffen wollen, indem das Kind nicht in DornachFriedrich Strindbergs Urgroßeltern besaßen direkt am Donauufer einen großen Hof in Dornach, während seine Großmutter Marie Uhl im sechs Kilometer entfernten Saxen wohnte, wo sich Friedrich Strindberg vorwiegend aufhielt. selbst
domizilirtansässig sein, wohnen. u. erst hieher geholt werden muß. Es wird uns freuen Ihrem Wunsche zu willfahren | ob Sie nun Ihr Kindchen
etwas länger oder kürzer genießen wollen, von dem kleinen prächtig gediehenen Burscherl
werden Sie sich kaum so schnell trennen können, wir vermuthen er ist Ihr ganzes
Ebenbild, u. es wird uns sehr interessiren dies festzustellen. Sollten
Wolgeboren weder Zeit noch Lust? haben, so ersuche ich dennoch um freundliche
Mittheilung ob Sie wissen wo Frida sich |
aufhältFrida Strindberg hatte Friedrich Strindberg, wie drei Jahre zuvor schon ihre Tochter Kerstin Strindberg, in die Obhut ihrer Mutter Marie Uhl gegeben und versuchte, sich eine Existenz als Journalistin und Übersetzerin aufzubauen [vgl. Buchmayr 2011, S. 207–216]. Im Oktober 1901 war Frida Strindberg zusammen mit dem Kunsthistoriker Julius Meier-Gräfe in London und Brighton [vgl. ebd., S. 218]. Erst Ende 1902 kam sie für einen Besuch nach Saxen.. Sie wollte uns besuchen, ich erwartete sie von Tag zu Tag, von Woche
zu Woche, vergeblich,
sie war wie vom Erdboden verschwunden. Schon längst wollte ich mich deshalb an
E. Wolgeboren fragend wenden, aber auch Ihr Aufenthaltsort war mir gänzlich
unbekannt.
Wenn Sie nun die Einladung akzeptiren, dann fahren Sie vom
Westbahnhof nach Amstetten, finden dort irgend wo ein | Gefährte u. fahren damit nach Ardagger zur Donau u.
laßen sich über dieselbe rudern, u. steigen knapp an unseren Geländ aus, wenn
Sie verlangen zu Frau Reischls Haus geführt zu werden.
Also auf fröhliche Zusammenkunft mit Großmutter, Urgroßmutter
u. dem liebsten Kindchen in Dornach! Mit Gruß
Marie Reischl.
Dornach, Markt Ardagger nächst Amstetten, Nieder Oe.