FRANK WEDEKIND.
Sehr geehrte liebe gnädige FrauBertha Doepler (geb. Schüler), Gattin des Professors und Historienmalers Carl Emil Doepler in Berlin (Kirchbachstraße 12) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1901, Teil I, S. 2297], die sich seinerzeit in Südtirol aufhielt und mit der Wedekind seit einigen Jahren bekannt war [vgl. Wedekind an Max Halbe, 9.2.1897].,
von ganzem Herzen bedaure ich daß es mir nicht möglich war Sie in Meran zu besuchen. Freitagder 12.4.1901. Wedekind hatte mit Max Halbe, Luise Halbe, Eduard von Keyserling und Hans Richard Weinhöppel eine Italienreise unternommen und auf dem Rückweg in Südtirol Station gemacht; er traf am 12.4.1901 abends mit Eduard von Keyserling in Bozen ein und reiste mit ihm am 13.4.1901 von dort früh morgens zurück nach München, wo sie noch abends eintrafen und die offizielle Eröffnungsvorstellung der Elf Scharfrichter (siehe unten) besuchten, wie Eduard von Keyserling am 13.4.1901 aus München an Max Halbe schrieb: „Nach einer etwas schläfrigen Fahrt langten wir rechtzeitig für die Scharfrichter an. Der Gesamteindruck war gut. [...] Wedekind’s Kind von 15 Jahren hatte mit Henry’s dann einen schönen Erfolg. Deine Schwägerin, Fr. Weinhöppel u. Fr. Schöller saßen mit Wed[ekind]. und mir an einem Tische.“ [Gräbner/Lauinger 2021, S. 297] Wedekind, dessen Lied „Ilse“ Marya Delvart (Lebensgefährtin des Kabarettleiters Marc Henry) mit „eminenter Wirkung“ [Willy Röllinghoff: Bei den „elf Scharfrichtern“. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 54, Nr. 174, 14.4.1901, S. 1] sang, saß am Tisch mit Bertha Heck, Stella Weinhöppel, Pauline Schöller-Haag und Eduard von Keyserling. Abend kamen Graf Keyserling und ich in Bozen an, dort fand ich Ihre freundlichen Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Bertha Doepler an Wedekind, 11.4.1901., aber Samstag, d.h. gestern Abendam 13.4.1901 (Samstag), für den die Eröffnung des Münchner Kabaretts Die Elf Scharfrichter, das seine Bühne im Hinterhaus des Wirtshauses Zum goldenen Hirschen (Türkenstraße 28) hatte, angekündigt war: „Wir machen nochmals darauf aufmerksam, daß die Eröffnungsvorstellung der elf Scharfrichter Samstag, 13. April, Abends 8 Uhr, als Galaexekution [...] stattfindet.“ [Die elf Scharfrichter. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 54, Nr. 166, 10.4.1901, Vorabendblatt, S. 2] Diese Vorstellung hat Wedekind besucht (siehe oben). Die eigentliche Eröffnungsvorstellung fand allerdings bereits am 12.4.1901 (Freitag) als ‚Ehrenexekution‘ statt: „Mit der Ehrenexekution des gestrigen Abends hat das sogenannte ‚Ueberbrettl‘ auch in München seinen Einzug gehalten.“ [Die elf Scharfrichter. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 104, Nr. 102, 13.4.1901, Abendblatt, S. 1] „Am letzten Freitag haben die Elf Scharfrichter uns zum ersten Male in ihre Henkerstube an der Türkenstraße blicken lassen“ [Ernst Posselt: Die Elf Scharfrichter. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 54, Nr. 178, 17.4.1901, Vorabendblatt, S. 2]. | war Überbrettl-Eröffnung in München; sodaß wir in aller Frühe weiter reisten. Max Halbe und Frau Louise sind nach Abazzia gereist, um von dort über Wien zurückzukehren.
Nun denke ich aber, liebe gnädige Frau, daß Sie, wenn unsere entsetzliche Kälte einigermaßen nachläßt, auch wieder nach dem | Norden kommen werden. Es wäre mir eine ganz außerordentliche Freude, Sie bei Ihrer Durchreise in München wiedersehen zu können. Halbes werden schon in vierzehn Tagenam 28.4.1901. wieder hier sein. Anfang Juni befindet sich wahrscheinlich unsere ganze Gesellschaft in BerlinWedekind, der am 4.6.1901 nachweislich noch bei den Elf Scharfrichtern in München auftrat [vgl. Allgemeine Zeitung, Jg. 104, Nr. 154, 5.6.1901, S. 1], plante nach Berlin zu reisen: „Ich werde in acht oder zehn Tagen dort sein“ [Wedekind an Martin Zickel, 23.5.1901]; wann er dort eintraf und wann genau seine dann erfolgte „Rückkehr“ [Wedekind an Martin Zickel, 12.7.1901] nach München war, ist unklar.. Somit bin ich in der Hoffnung | auf ein sehr baldiges Wiedersehen
Ihr Ihnen ergebener
Frank Wedekind.
München, Franz Josefstraße 42.
14. April 1901.