Lieber Walther,
würdest Du die Liebenswürdigkeit haben, mir
mitzutheilen ob Du irgend etwas Neues über die Feststellung meiner IdentitätEinen Identitätsnachweis Wedekinds benötigte der Nachlassverwalter von Wedekinds verstorbener Tante Auguste Bansen, der Rechtsanwalt Hans Heiliger in Hannover, um das Erbteil auszahlen zu können.
weißt. Ich möchte mich dieser Angelegenheit wegen an Heiliger wenden, wäre aber
gerne vorher darüber unterrichtet ob das nicht unnötig ist. Wenn Du nichts
neues erfahren hast dann scheint mir die Zeit von vier WochenDas letzte Schreiben Heiligers hatte Wedekind vermutlich vor gut einem Monat erhalten [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 18.4.1900]., die er dazu
braucht braucht über die Maßen lang. Was mich aber vor allem zu einer
Anfrage veranlassen würde ist folgende | Erwägung:
Ich habe unter richterlicher Bestätigung meiner
Unterschrift „Frank Wedekind“ mich verpflichtet, den Rechtsanwalt nach
Auszahlung der Erbschaft gegen etwaige Ansprüche von TestamentserbenUm die Auszahlung des Erbes zu beschleunigen, gab Wedekind eine Garantieerklärung ab, gegebenenfalls später aufgrund eines Testaments der verstorbenen Tante auftauchenden Erbberechtigte zu entschädigen [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 28.5.1900]. schadlos
zu halten. Da ich nun aber bis jetzt noch nicht die geringste Sicherheit habe,
daß ich zu den legalen Erben gehöre, kann ich das Papier unmöglich länger in
fremden Händen lassen, denn meine Unterschrift Frank Wedekind wird hier wie
sonst im Leben unter allen Umständen ihre volle Gültigkeit behalten. Ich halte
es daher für dringend | geboten, die betreffende Bescheinigung bis auf weiteres
zurückzufordern. Wenn du nichts neues über die Angelegenheit wissen solltest,
werde ich mich nächster Tage in diesem Sinne an Heiliger wenden.
Ich habe dir glaube ich noch nicht meinen Dank
für die Absicht ausgesprochen, in der Erbschaftsangelegenheit nach Hannover zu
reisenWalther Oschwald hat offenbar in einem nicht überlieferten Schreiben [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 19.4.1900] angekündigt, persönlich in Hannover vorstellig werden zu wollen..
Wenn ich das nötige Geld hätte thäte ich es
selbst, dagegen will ich gern meinen Theil an Deinen Kosten tragen. Mama hat
vor zehn 7 Jahren in Hannover während eines
ganz kurzen Aufenthaltes die unsere standesamtlichen Anmeldungen
ausfindig | zu machen gewußt. Deshalb war mir deine Annahme, wir seien getauftDies dürfte Walther Oschwald dem Rechtsanwalt Hans Heiliger in Hannover in einem nicht überlieferten Brief geschrieben haben, was Wedekind wiederum aus einem ebenfalls nicht überlieferten Schreiben Heiligers vom 6.4.1900 erfuhr, wie er seinem Schwager mitgeteilt hat [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 18.4.1900] Wie der Eintrag im Geburts- und Taufbuch der Ägidienkirche in Hannover belegt [vgl. Kreter 1995, S. 63], war Wedekind nicht getauft worden. auch
nur so erklärlich, daß eine Taufe thatsächlich stattgefunden und uns Mama bis
jetzt ein Geheimnis daraus gemacht habe, denn sie muß natürlich besser darüber
bescheid wissen als wir. Auf Grund dieser Erwägung habe ich dann auch
meinerseits Heiliger noch durch einen Brief irregeleitetnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hans Heiliger, 19.4.1900..
Also sei bitte so gut und schreibe mir nur ein Z/p/aar
Zeilen, dann bin ich mit bestem Dank und den herzlichsten Grüßen dein
Frank
Franz Josephstrasse 42.II. 14. Mai 1900.