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sind heute die Lectüre des gesamten Volkes, ob auch
verschämt die Polizei s’ verbietet, was nutzt es? Ist es nicht lächerlich?
Doch Franklin,
wozu schreibe ich Dir dies Alles?
Immer sehe ich Dich vor mir, der Du ernsthaft mich anschaust
und frägst: „Ist seine Jugend hin? Sind Deine Ideale verflogen? Habe ich mich
in Dir getäuscht?“ – Nein, Du hast Dich nicht getäuscht, meine Jugend ist noch
lebendig, aber sie soll mir Kraft verleihen zum bevorstehenden Kampfe, denn
Stellung werde ich nehmen müssen. Wol ist er ein guter Gott der. Gott der Christen, Gaben verheissen nac für frommes Leben!
Aber ach! hin ist das Kind, nicht kann ich mehr glauben, die Welt soll mein Himmel
sein, | für die Welt soll mein Geist fruchtbar sein. Damit er es werde, bedarf
es der Arbeit, denn auch im Kampfe herrschet über die Massen der Geist, der
über die Andern erhaben
Und für was soll ich arbeiten? Für jenes Feld, das mir verspricht, dass der
Samen keime und zur Frucht z sich entwickele. Dieses Felde ist die practische WissenschaftEthik und Politik; Hermann Huber, der Jura und Volkswirtschaft studierte, dürfte in dem fragmentarisch vorliegenden Brief seinen Freund Wedekind über die Hintergründe seiner Politisierung aufgeklärt haben. Erst wenige Monate zuvor hatte er an einem Drama („Arabi“) geschrieben [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 15.5.1883 sowie Hermann Huber an Wedekind, 31.5.-14.6.1883 und Hermann Huber an Wedekind, 24.6.1883]..
– – –
Liebster! Wol ist der Schluss abschreckend, aber sage mir,
ist er nicht die logische Folge? Die letzte Consequenz ist gezogen und nun
Mensch! wähle! – –
Im Aarauer
PenalSchreibversehen, statt: Pennal; höhere Schule, gemeint ist die Kantonsschule Aarau, deren gymnasiale Abschlussklasse Wedekind im Schuljahr 1883/84 besuchte und auf der Hermann Huber im Frühjahr 1883 die Maturaprüfung bestanden hatte. wird es wol noch
immer im gleichen Schritt & Tritt vorwärts
gehen |
wenn nur im Frühling ein muntrer Student entbundenAm 10.4.1884 erhielt Wedekind sein Maturazeugnis. wird!
Indessen (Weihn. hoffe ich nach
HauseBesenbüren. zu kommen) lebe wol
Dein Freund
Hermann Huber stud.
jur.
NB. Gruss an Schibler. LetzhinSchreibversehen, statt: Letzthin; das war der erste Brief, den Hermann Huber in seinem zweiten Studiensemester in Straßburg an den Freund geschrieben hatte [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 31.10.1883].
habe ich vergessen, meine Adresse beizulegen
H. H. stud. in SchiffleutstadenStraße in Straßburg; Hermann Huber wohnte in der Nummer 7 im 3. Stock.
7.III.