Lieber Walther,
heute morgen überrascht mich Donald auf der
Durchreise nach Dresden, respective Hannover. Er bittet mich, ihm einige Zeilenwahrscheinlich der vorliegende Brief.
mitzugeben, die es ihm ermöglichen, sich Dir gegenüber zu
auszusprechen respective zu rechtfertigen. Ich thue das sehr gerne, da ich
seine Absicht, nach Hannover zu gehen um die Erledigung der AngelegenheitZu der sich in die Länge ziehenden Erbschaftsangelegenheit siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager Walther Oschwald seit dem 6.1.1900. in Fluß
| zu bringen, sehr vernünftig finde. Ich trug mich selbst während der letzten
Tage mit dem Gedanken und hätte ihn, wenn ich die Möglichkeit dazu gehabt
hätte, längst ausgeführt.
Donald hat mir die Belege für seine Arbeiten
während des letzten Jahres vorgelegt und seine Pläne für die Zukunft, speciell
für Wien auseinandergesetzt. Der Einnahmen die er in Zürich erzielt hat braucht
er sich in Anbetracht der prekären Verhältnisse unter denen er dort lebte |
gewiß nicht zu schämen. Daß ihn die seit 6 Monaten als nahe bevorstehende und
bis heute nicht erfolgte Auszahlung der Geldsumme aus dem Gleichgewicht
gebracht kann ich, der ich darüber den Nutzertrag meiner besten Einnahmen
während der letzten zwei Monaten vollständig verloren habe, ihm kaum verdenken.
Mein Rechtsanwalt schreibt mirnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hugo Wolff an Wedekind, 24.6.1900. Die Korrespondenz zwischen Hans Heiliger und Hugo Wolff ist nicht überliefert. diesen Morgen,
Heiliger habe vom Amtsgericht die ErbscheineDie vom Nachlassgericht ausgestellten Erbscheine weisen aus, wer Erbe ist und wie groß der Erbteil ist, so dass das Erbe ausgezahlt werden kann. ausgestellt erhalten. Mein
Rechtsanwalt hat bei Heiliger umgehend wegen des Termines der TheilungDer Nachlassverwalter Hans Heiliger hatte nach Vorliegen der Erbscheine den Nachlass durch eine Teilungsanordnung unter den Erben aufzuteilen bzw. auszugleichen. In Vorbereitung dieses Termins wurden offenbar Wertpapiere aus dem Nachlass der verstorbenen Tante verkauft [vgl. Frank Wedekind an Donald Wedekind, 19.7.1900].
angefragt. Auf jeden Fall halte ich es | für vortheilhaft wenn jemand in
Hannover ist, der die Dinge persönlich betreiben kann, denn mit welchem Eifer
sich Heiliger derselben annimmt ersehe ich wieder daraus, daß ich ohne meinen
Rechtsanwalt bis heute von dem Fortschritt in der Angelegenheit nichts erfahren
hätte.
Ich bitte Dich Donald zu gute halten zu wollen,
daß ihm jetzt thatsächlich der Kampf mit dem Leben schwerer wird als z. B.
Dir der Du von Anbeginn deinen Weg in regelmäßigem Geleise gemacht hast. Dazu
kommt die ererbte Ungeduld und Gereiztheit. Ich meinerseits lasse auch fünf
gerade sein, wo ich sehe, daß Einsicht und Vernunft platz gegriffen, und
praktische Vortheile in Aussicht stehen.
Mit den herzlichsten Grüßen an Mieze, Mama und
Dich
Dein Frank.