Schloss
Lenzburg, im März 1882.
Liebe Comilitonen(lat.) Mitsoldaten, Waffenbrüder; in der Studierenden- und Verbindungssprache Studienkollegen. Die aktiven Mitglieder der Schülerverbindung „Industria Aarau“ waren Joseph Stocker (Präses) aus der IV. Klasse des Gymnasiums der Kantonsschule Aarau sowie Karl Bertsch, Johann Burger, Albert Irniger und Samuel Schaffner, die wie Wedekind die III. Klasse besuchten [vgl. AIA, Protokollbuch Nr. 7, 1779-1883, „Mitgliederverzeichniss bei Beginn des Sommersemesters 1882“].,
darf ich Euch vielleicht mit der Bitte belästigen, auch mich
in Euern trauten VereinDer 1859 gegründete naturwissenschaftlich ausgerichtete Kantonsschülerverein „Industria Aarau“ war einer von drei Aarauer Schülerverbindungen (die anderen waren der Kantonsschülerturnverein KTV Aarau sowie die altphilologisch ausgerichtete Argovia Aarau) [vgl. auch Wedekinds Korrespondenz mit Friedrich Mühlberg]. als BruderWedekind war einige Male als Fux (Anwärter) zu Vereinskneipen eingeladen worden, zuletzt am 4.3.1882. Am 14.3.1882 wurde er als Kandidat in den Schülerverein aufgenommen. aufzunehmen
und fürderhin als MitgliedSpätestens bei seiner dritten ordentlichen Sitzung (am 5.5.1882) dürfte Wedekind zum Mitglied ernannt worden sein. Denn bei den Wahlen, die an diesem Tag stattfanden, wurde er zum Aktuar (Schriftführer) und Cantusmagister (der u.a. bei den Kneipen die gewünschten Lieder anstimmt) gewählt [vgl. AIA, Protokollbuch Nr. 7, 1779-1883, 427. Sitzung vom 5.5.1882]. – Laut Statuten B, § 21 dauerte die Kandidatur 4 ordentliche Sitzungen, konnte aber verkürzt werden [vgl. ebd.]. der „Industria“ zu betrachten, auf dass wir glückliche StundenZweck der Industria war die Pflege der Wissenschaften, insbesondere der Naturwissenschaften und Mathematik, um „bei den Mitgliedern Liebe und Eifer zum Studium zu wecken und dieselben zum Fleiß und Selbstarbeiten anzuregen durch gegenseitige Belehrung das Wissen Einzelner zum Gemeingut zu machen und sich auch durch gegenseitige Freundschaft zu verbinden.“ (Statuten A, § 1) Reihum schrieben die Mitglieder Vorträge, die von einem anderen Mitglied schriftlich kritisiert, in den wöchentlichen Sitzungen diskutiert und (eventuell überarbeitet) ins Vereinsarchiv eingepflegt werden sollten (Statuten A, § 2-7). – Wedekind lieferte die beiden Aufsätze „Das Verhältnis des Menschen zur Natur“ und „Über die christliche Religion“ ein, die von Samuel Schaffner schriftlich und mündlich kritisiert wurden. – Für das gesellige Miteinander sorgten die Kantstunden, in denen Lieder (Kanti) gesungen wurden, und die regelmäßigen Kneipen, in denen nach bestimmten Regeln Reden gehalten, gesungen und Bier oder Wein getrunken wurde, wobei oft Gäste – Ehemalige, Füxe (Vereinsanwärter) oder Aktive anderer Vereine – geladen wurden. mit
einander verleben können.
Erwartungsvoll
sehe ich Euerer Entscheidung
entgegen und verbleibe indessen
Euer
Franklin Wedekind.