Schloß
Lenzburg, Februar, 1884.
Hochverehrter Herr,
Ich beehre mich hiemit, Ihnen anzuzeigen, daß ich
Ihre freundliche SendungEin Paket mit 100 bis 200 gedruckten Exemplaren von Wedekinds Prolog zur Abendunterhaltung der Kantonsschüler mit dem Begleitbrief des Verlags [vgl. H. R. Sauerländers Verlagsbuchhandlung an Wedekind, 13.2.1884].
gestern Abendsehr wahrscheinlich Freitagabend, der 15.2.1884. Die innerhalb Aaraus ungewöhnlich lange Laufzeit der am 13.2.1884 datierten „Sendung“ (siehe Anmerkung oben) von 2 Tagen dürfte kalendarisch begründet sein, denn der 14.2.1884 (Valentinstag) war ein schulfreier Feiertag, weshalb Wedekind am 13.2.1884 nach Schulschluss nach Lenzburg gefahren sein wird, von wo er am 15.2.1884 morgens direkt zur Schule und von dort erst am Abend sein Pensionszimmer (bei Frau Regina Huber, Zollrain 88) aufgesucht haben dürfte, wo er das Päckchen vorfand. erhalten
habe. Empfangen Sie meinen besten, herzlichsten Dank dafür. Es gehört wol zu
den angenehmsten Jugendfreuden, sich zum ersten Male gedrucktDer Prolog zur Abendunterhaltung der Kantonsschüler war die erste selbstständige Publikation Wedekinds, als Zeitschriftenbeiträge waren die Gedichte Eduard von Hartmann [Erholungsstunden, eine Beilage des Thuner Wochenblatts, Winter 1881/82 (vgl. KSA 1/II, S. 1409)] und Turnergruss [Festblatt für das Eidgenössische Turnfest in Aarau, Nr. 2, 30.7.1882, S. 4] erschienen. zu wissen; und Sie werden solch’ | naive
Empfindung gewiß begreifen, besonders, da ich mein Geisteskind in so schönem,
schimmernd-weißem Gewandeder Einband.
in die Welt hinaustreten sehe. Weiß ich doch recht gut, wie gerne der
unerfahrene Leser sich in seinem Urtheil durch die leichtere oder schwerere
Leslich/g/keit des Druckes bestechen läßt. Und meine Jungpfer
Muse ist wahrhaftig noch nicht in der glänzenden Lage, in der sie solche
Vortheile verschmähen dürfte. Um so angenehmer überraschte mich demnach die
herrliche Ausstattung, die Sie ihrem Söhnlein zu Theil werden ließen.
Der gestrengen Kritik möchte ich zwar in keiner Weise
vorgreifen, glaube aber dennoch, Ihnen, werther | Herr, auch im Namen meiner
lieben Comilitonen und Freunde aufs Wärmste danken zu dürfen für Ihre
Freundlichkeit, die meiner Umgebung eine recht lebhafte Erinnerung an den
schönen Abend bereiten wird. Ebenso beauftragen mich meine lieben
Eltern, Ihnen ihren
höflichsten Dank zu melden, und ich selber verbleibe indessen voll dankbarer
Hochachtung
Ihr ergebenster
Franklin Wedekind.