Schaffhausen 31. Jan. 83.
Lieber
Freund!
Ich
habe, dich sicherlich nicht vergessen gehabt, wenn ich dir auch nicht
geschrieben habe, vielweniger ist mir je so was in den Sinn gekommen, wie du
mir in deinem letzten Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Hermann Plümacher, 28.12.1882.
schreibst, überhaupt ist dein letzter Brief ein sehr melanchkatholischerscherzhaft oder Schreibversehen, statt: melancholischer., hattest du etwa
Moralischen Kater? – Du verzeihst also mein langen/s/ Schweigen, der Geist war willig, doch
das Fleisch schwachRedewendung nach Markus 14, 37-38.. Also zu den Neuigkeiten von Schaffhausen. Die TheatergeschichteDie Aufführung von Goethes Drama „Götz von Berlichingen“, an der Hermann Plümacher beteiligt war [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 27.12.1882]. erzähl ich
dir dann mündlich, und ausführlich, dann die Weihnachten, die wahrenSchreibversehen, statt: waren. recht langweilig, hatte mich ja wie du schon
weißt verlobtHermann Plümacher lag zum Jahreswechsel mit Mumps zu Bett und bezeichnete die Krankheit als seine Verlobte, die er wieder loszuwerden gedenkt [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 27.12.1883]. u so w.
Hab ein gutes Zeugnißdas Zeugnis für das 3. Quartal des Schuljahrs 1882/83; Hermann Plümacher besuchte die dritte Klasse des Gymnasiums der Kantonsschule Schaffhausen.
mitgebracht, und bin Lector(lat.) Vorleser; in der Kirchengemeinde derjenige, der während des Gottesdienstes die Fürbitten und Schriften aus der Bibel vorträgt.
geworden. Welch Wunder, einer der Lümmelveraltet für: ungezogener Mensch. aus dem Gymnasium.
Im
weiteren, ge sind wir öfter Schlittschuh gefahren, auf dem oft recht
dünnen Eise, dann hab ich recht oft mich im Walde herumgetrieben und Insekten
gesucht, das ist nähmlich
meine einzige Freude | hier in Schaffhausen, alles so leer, keine rechten Freunde, nichts rein
nichts, das ärgste prosaische Leben das du dir denken kannst.
So
sammle ich also fleißig und geh jede alle 14 Tage einmahl als ordentliches MitgliedHermann Plümacher wurde auf Empfehlung des Arztes Wilhelm Gustav Stierlin als Mitglied in die Schweizerische entomologische Gesellschaft aufgenommen: „Plümacher, Eugen, Hermann, in Schaffhausen (Schönau) Coleopterolog; von Herrn Dr. Stierlin“ [Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft, Bd. 7 (1884-1887), Heft 1, S. 2: Neue Mitglieder (5.8.1883)]. in die
Versammlung des Schaffh. Entomologischen Vereins, bestehend aus 4 Dr.
und 2 Lehrern Im „Mitglieder-Verzeichniss der schweizerischen entomologischen Gesellschaft pro Jahresversammlung 1883“ werden als promovierte ordentliche Mitglieder aus Schaffhausen die drei Ärzte Dr. Sterki, Dr. Karl Vogler und Dr. Wilhelm Gustav Stierlin, Gründungsmitglied der schweizerischen entomologischen Gesellschaft (1858), genannt, nicht promovierte Mitglieder sind neben Hermann Plümacher ein A. Rausch und der Kaufmann Alfred Böschenstein-Faesi [vgl. Mitteilungen der Schweizerischen Entomologischen Gesellschaft, Bd. 6, 1880-83, Heft 10, Oktober 1883, S. 702f.].und meiner Wenigkeit, trinke 3 –
4 Glas Bier und unterhalte mich über die innern Organe von Käferfamilien und so
weiter, dann um Elf Uhr großer Abschied und ich leg mich zu Bette mit dem
Bewußtsein einen angenehmen Abend verlebt zu haben. So hier alles neue, was ich
weiß. Da zu jetzt, das ankämpfen gegen die Meinungen des VatersEugen Hermann Plümacher, Mitbegründer der Schweizerkolonie Gruetli in Beersheba Springs in Tennessee und seit 1878 US-Konsul in Maracaibo (Venezuela). Über Schweiz-Aufenthalte von ihm während der Schweizer Jahre seiner Frau Olga und der Kinder Hermann und Dagmar (etwa 1877-1887) ist nichts ermittelt. über meinen Beruf,
er will nehmlich mich nicht Buchhändler werden lassen, also mußt du dich um einen andern
Verleger dann aus schauen. Ich werde also sonst Krämer, so genandterSchreibversehen, statt: sogenannter. Kaufmann,
oder werde dank dir IngineurSchreibversehen, statt: Ingenieur. – Der Hintergrund ist nicht ermittelt.,
was mir nicht sehr gefällt, aber das nur zu dir gesagt. Also du siehst daß es
nicht sehr angenehm ist. – |
Ich
habe von meinem Vater 250 fr erhalten für meine Ausgrabungennicht ermittelt.. Natürlich fällt
etwas ab zu meinem Besuche zu dirgemeint: für meinen Besuch bei dir. – Zwischen dem Schulabschluss im April 1883 und dem Beginn seiner Kaufmannslehre in Heilbronn dürfte Hermann Plümacher den Freund auf Schloss Lenzburg besucht haben [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 2.10.1883]..
Wir
machen dann hoffentlich einen Abstecher per pedes apostulorumSchreibversehen, statt: per pedes apostolorum (lat.) zu Fuß, wie die Apostel. nach dem Rigi(schweiz.) der Rigi; Bergmassiv in der Zentralschweiz (1797,5 Meter über dem Meeresspiegel) am Vierwaldstätter See., du und ich, nicht wahr. Ich schicke dir ferner
nächstens meine Photografie, erwarte die deinige aber auch BeiliegendDie Beilagen sind nicht überliefert. findest du den
Zettel von unserer AuführungSchreibversehen, statt: Aufführung. Es dürfte sich um eine Bearbeitung von Goethes „Götz von Berlichingen“ handeln [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 27.12.1882].
an der Kneipe m/n/ach der Aufführung. Den andern Theaterzettel schicke ich dir nächstens mit
etlichen Büchern. Kannst du michSchreibversehen, statt: mir.
nichts zum Lesen schicken? Ich schitzeSchreibversehen, statt: sitze.
auf dem Trockenen, mit ausnahme von Romanen die ich in Hülle und Fülle habe. So jetzt hast du alles
neue von und alte vo was mich betriftSchreibversehen, statt: betrifft. wenig genug ist.
Wo
bleiben deine
poetischen ErgüßeMöglicherweise sind Gedichte aus dem Heft „Poesie“ gemeint. Wedekind hatte die Sammlung mit der Datierung „Winter 1882/83“ versehen [vgl. KSA 1/I, S. 792-797].? Grüße mir deine liebe
Mutter den
Papa und sämtliche
Geschwister. Schreibe mir bald und
verzeieSchreibversehen, statt: verzeihe. deinem alten
Hermann.