Euch möchte ich nicht gerade mit diesem unangenehmen Besuch anrücken. Schreibe mir
einmal was Du meinst.
Ich freue mich immer mehr, je näher die ReiseAnny Barck besuchte ihre Freundin Ende Juli [vgl. Anny Barck an Frank und Armin Wedekind, 6.8.1884]. kommt, daß wir uns wirklich sehen,
umarmen tagelang haben u. genießen können, zusammen schwärmen u. plaudern von
schönen u. traurigen
Zeiten!
Wie bist Du zufrieden mit Deinen „Liedern eines Gefangenen“nicht überliefert; den Titel „Lieder eines Gefangenen“ tragen mehrere Gedichtsammlungen zum Beispiel das anonym erschienene Buch des Heine-Freunds Laurian Moris (Schaffhausen 1842) oder 2 Gedichte Max Voglers (1874). Elke Austermühl verweist zudem auf das dem Titel sehr ähnliche Gedicht „Lied des Gefangenen“ Heinrich Heines aus dem „Buch der Lieder“ (Hamburg 1827) [vgl. KSA 1/II, S. 1336].? Hat Franklin Deine Gedichte schon kritisirtWedekinds Kritik ist in Versform überliefert: „Die Lieder des Gefangenen, / Die herzzerreißend trüben Klagen, Die Klänge aus vergangenen, / Schon längst dahingeschwund’nen Tagen, // Sie stürzten mich in schweres Leid; / Doch wollt’ es scheinen mir bisweilen, / Als hätte der Gefang’ne Zeit, / Sie etwas besser auszufeilen. –“ [vgl. KSA 1/I, S. 110] Das Gedicht dürfte Wedekind noch vor Anny Barcks Besuch in Lenzburg geschrieben und seiner Cousine übermittelt haben [vgl. dagegen KSA 1/II, S. 1336].? Das Gedicht das
ich Dir auf der nächsten Seite abschreibe, ist eigentlich für ihn als Heine-SchwärmerWährend Minna von Greyerz von Heinrich Heines Werken oft abgestoßen wurde, gehörte der Schriftsteller zur Lieblingslektüre Anny Barcks und Wedekinds [vgl. Anny Barck an Wedekind, 20. und 21.12.1883]..
Dann wollte ich Dich noch fragen ob Du Woll/f/f’s „Rattenfänger von Hameln“ kennst, andernfalls würde
ich ihn mitbringen.
Für heute lebe wohl, grüße Deine liebe Mutter
herzlich von mir, schreibe so bald u. so viel als möglich und behalte lieb
Deine Anny |
Heinrich Heine
O zürnt
ihm nicht, der jetzt mit Liebestönen
Das Herz euch rührt.
Dann aber selbst das Liebste zu verhöhnen,
Sein Lied verführt.
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O
zürnet ihm nicht, wenn rasch der Wehmuth Schauer
Mit Spott sich tauscht.
O zürnt ihm nicht, wenn unterm Flor der Trauer
Ein Satyr lauscht
––––––
O zürnt
ihm nicht, der groß ein Bett der Schmerzen
Sein Leid bezwang
Und der, ein Held, mit fast gebroch’nem Herzen
Noch heiter sang.
––––––
H. KletkeHermann Kletke war Redakteur der Vossischen Zeitung (Berlin) sowie Schriftsteller und Dichter. In „Steffens Volkskalender für 1870“ erschienen 12 Gedichte von ihm auf Geistesgrößen des 18. und 19. Jahrhunderts, das Gedicht auf „Heinrich Heine“ zu dessen Geburtstag im Dezember..