Stein a/Rh.
23/XII 83.
Mein lieber Franklin!
Ich komme heute mit einer
Bitte zu Dir und möchte
von Deiner Gefälligkeit zu Gunsten meines Mannes Gebrauch machen. Die Sache ist diese: mein MannEugen Hermann Plümacher war seit 1877 Schweizer Botschafter in Maracaibo (Venezuela)., der sich schon in
verschiedenen Angelegenheiten der Communalität Maracaibo nüzlich und gefällig erwies, ist von der dortigen Behörde
ersucht worden ein Cadeten-Corps(frz.) Cadet, Cadets; (dt.) Jüngling (Schreibweise: Kadett): Mitglied eines Kadettenkorps (einer Offiziersschule für Jugendliche). Die von der Schweizer Armee organisierte Militärausbildung für die männliche Jugend war an den Bezirks- und Kantonsschulen angesiedelt. Von der Ausbildungspflicht befreit wurden nur Jungen mit körperlichen oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen. An der Kantonsschule Aarau fand der Militärunterricht im Sommerhalbjahr für alle Klassen jeden Mittwochabend zweistündig und an einem Samstagnachmittag im Monat statt. Auf dem Lehrplan stand „Soldaten-, Compagnie- und Tirailleurschule, Geschützbedienungs- und Zugschule. Richt- und Schießübungen mit Geschütz und Gewehr. Marschsicherungs- und Vorpostendienst. Uebungen im Kartenlesen im Terrain, im Distanzenschätzen, Recognisciren, Anfertigung von Croquis und Terrainbeschreibungen, Orientierungsübungen. Lösung leichter taktischer Aufgaben für Infanterie und Artillerie. Kleinere Gefechtsübungen.“ Im Winterhalbjahr hatten nur die Schüler der II. und III. Klassen je eine Wochenstunde Militärunterricht. Gelehrt wurde „Heeresorganisation, speciell Grundzüge der schweizerischen Militärorganisation. Kartenlehre: Signaturen und die verschiedenen Darstellungsweisen der Terrainunebenheiten, Erklärung und Vorweisung der officiellen schweiz. Militärkarten. Militärische Terrainlehre.“ [Programm der Aargauischen Kantonsschule. Schuljahr 1879/80, S. 25],
nach Art der schweizerischen Cadeten, | einzurichten. Zu dem Ende hin möchte er
nun gerne die Reglemente und Statuten der verschieden. noch bestehenden Cadeten-Organisationen,
vorab also auch die von Lenzburg
und Aarau. Meine
Bitte an Dich geht nun dahin, mir, sei es durch einen Buchhändler, oder
sei es durch die Gefälligkeit eines der „Häuptlinge“ des/r/, das
CadentenwesenSchreibversehen, statt: Cadettenwesen.
besorgenden Schulbehörde die nöthigen Drucksachen zu besorgen, wobei ich
| natürlich für alle Kosten aufkomme, ohne mich dadurch weniger in Deiner
Schuld zu wissen, wenn Du mir die Sache vermitteln kannst.
Du bist ja auch so ein
geplagter Waffenträger gewesen und kennst daher gewiß die Haupthähne auf diesem
Gebiet, und wenn Du Ih ihnen den süßen Brei um den Bart streichst: es
sei die Vorzüglichkeit des/r/ Lenzburger – resp. Aarauer Cadetenwesens sogar in Venezuela wohl
bekannt, so werden sie Dir gewiß zum Nöthigen verhelfen. | Lieber Franklin! heute AbendMontag, den 24.12.1883 (Heilig Abend); Olga Plümacher berechnete die Ankunft des Briefs nach der üblichen Postlaufzeit von 1½ Tagen von Stein am Rhein nach Lenzburg., wenn Ihr Alledie Eltern, Friedrich Wilhelm und Emilie Wedekind, sowie die 6 Geschwister, der Student Armin, Frank, William, der in Lausanne eine Kaufmannslehre machte, Erika, Donald und Emilie. unter dem Christbaum
in Liebe versammelt sindSchreibversehen, statt: seid.,
dann gedenkt auch freundlich meiner, die ich auch Euer Aller in herzlicher Liebe
gedenke! Ich bin nun an dem mir sonst so lieben Abend ganz einsam, zum ersten Mal ohne meine lieben KinderOlga Plümachers Sohn Hermann, mit dem Wedekind korrespondierte, machte eine Kaufmannslehre in Heilbronn; für die Weihnachtszeit 1883 hatte er nicht frei bekommen. Tochter Dagmar hielt sich in der Pfarrersfamilie Marthaler in Rümlang bei Zürich auf. –
ich wollte die Tage wären schon vorüber. Und doch habe ich eigentlich keinen
Grund zur Klage, ist doch so weit alles in Ordnung und wie es sein soll. Von Hermann habe ich diese
Woche einen Brief und eine
KarteKorrespondenzen zwischen Olga Plümacher und ihrer Familie sind nicht ermittelt. gehabt, und ist er Gott sei Dank! wohl und wohlgemuth. Auch Dagmar ist hellauf und
von meinem | Manne habe ich sehr erfreuliche Nachrichten. Er ist gesundEugen Hermann Plümacher hatte sich gleich zu Beginn seines Aufenthalts in Maracaibo mit dem Gelbfieber angesteckt und war gefährlich erkrankt. und hat im November
von der Stadt MaracaibeSchreibversehen, statt: Maracaibo.
die goldene Verdienst-MedallieSchreibversehen, statt: Verdienst-Medaille. erhalten, und ist bei der
Gelegenheit mit Festeßen, Fackelzug, Musik u.s.w. beehrt worden. Das muß man
den Leuten von
VenezuelaDer Diktator General Antonio Guzmán Blanco regierte von 1870 bis 1889 in Venezuelas. Unter seiner Regierung wurden Handelsbeziehungen geknüpft und die Infrastruktur des Landes nach französischem Vorbild modernisiert. Er „knüpfte engere Beziehungen mit den europäischen Mächten an, führte Schulen, selbst in den indianischen Dörfern, ein, gründete wissenschaftliche Institute und eröffnete die erste Eisenbahn des Landes. Er trat 20. Febr. 1877 zurück, nachdem er noch durch ein neues Gesetzbuch das Recht des Landes wiederhergestellt hatte. Unter seinem Nachfolger aber brachen sofort wieder Unruhen aus, die 1879 mit der Rückberufung Guzman Blancos endeten.“ [Meyers Großes Konversationslexikon, 6. Aufl. Bd. 8, Leipzig 1904, S.557], die jetzt am Staats-Ruder sind zugestehen: sie haben einen großen
Eifer sich zu ciwil civilisiren, und wenn jemand ihnen die Wege dazu
zeigt und ihnen mit gutem Rath an die Hand geht, so sind sie | dankbar und
erkenntlich dafür. Geld und Gut haben sie nicht zu geben, denSchreibversehen, statt: denn. der Staat ist in Folge
der ewigen BürgerkriegeAntonio Guzmán Blanco hatte das Land aus den Bürgerkriegen der 1860er und 1870er Jahren herausgeführt.
arm, (ungeachtet seiner großen natürlichen Reichthumsquellen), aber mit Ehrenbezeugungen sparen sie
nicht und die „Spitzen“ schwelgen in gegenseitiger Beweihräucherung, und wenn
man sich nicht gerade auf den Straßen schießt, so ist immer irgend ein Fest zu irgend jemandes
Ehren im Gang.
Lieber Franklin! grüße mir die liebe Mamma |
so wie Deine Geschwister recht
herzlich, und wenn der FesttroubelSchreibversehen, statt: Festtrubel.
verrauscht ist, so möchte mir doch die liebe Mama auch wieder schreiben. Den KaffeeGemeint sein dürfte der besonders hochwertigen Kaffee aus den Bergregionen Venezuelas. Maracaibo war Zentrum des deutschen Kaffeehandels und größter Exporthafen Venezuelas, Hamburg einer der größten europäischen Importhäfen für Kaffee. Offenbar waren Konsul Eugen Hermann Plümacher und seine Frau Olga im Kaffeehandel aktiv. wird sie erhalten
haben?
Von Hamburg erhielt ich gestern die Anzeige,
daß 20 Sack für mich eingetroffen und der Bahn übergeben worden sind.
Ich recomandire mich also
einem geehrten Publikum zu gefälliger Abnahme. – Einen Verleger für mein BuchOlga Plümacher hatte das Manuskript ihrer philosophischen Schrift „Der Pessimismus in Vergangenheit und Gegenwart“ dem Verleger Georg Weiß in Heidelberg angeboten [vgl. Olga Plümacher an Emilie Wedekind, 29.11.1883 (Mü, Konvolut Burkhardt)]. habe ich noch nicht – da heißt es eben Gedult/d/
haben. Doch nun lebe | wohl und behüte der große Geist Dich gesund. Bewahre
meinem Sohn und mir auch im neuen Jahr Deine Liebe; so werden wir es halten mit Dir.
In Treue Deine
alte Freundin O. Plümacher.