Lieber Felix!
Mit herzlichem Dank sende ich DirDie Beilage, wohl ein Zeitungsauschnitt wahrscheinlich aus der französischen Zeitung „Le Figaro“ (siehe unten), ist nicht überliefert. Deinen AufsatzEin Aufsatz Felix Hollaenders ist weder in der Pariser Tageszeitung „Le Figaro“, noch in dem Wiener und Berliner Journal „Figaro“ nachzuweisen. In der Pariser Tageszeitung ist allerdings ein von Serge Basset gezeichneter kleiner Beitrag über die Aufführung von Wedekinds „Franziska“ in den Kammerspielen des Deutschen Theaters erschienen (Premiere: 5.9.1913, Frank und Tilly Wedekind in den Hauptrollen) , bei dem es sich um den Text handeln könnte, den Felix Hollaender wohl als Zeitungsausschnitt Wedekind hat zukommen lassen und ihn nun zurück erhielt. Er lautet: „De Berlin: M. Frank Wedekind joue ses pièces comme Molière, et il les fait même jouer par sa femme. Aux ‚Kammerspiele‘, le théâtre intime de Reinhardt, il nous a donné un mystère moderne en neuf tableaux, qui a pour nom Franciska. Sa pièce est, en effet, mystérieuse et moderne, et j’ajouterais qu’elle est bien allemande, si je ne craignais d’évoquer dans vos esprits, par cet adjectif, le souvenir de Goethe et de Schiller.“ [Le Figaro, Jg. 59, 3. Serie, Nr. 252, 9.9.1913, S. 5]
aus dem „Figaro“ zurück, über den ich mich sehr gefreut habe. Es wird mir eine
große Freude sein wenn Du in FrankfurtDie Reputation für Theaterangelegenheiten der Stadt Frankfurt am Main hatte am 10.3.1913 beschlossen, Felix Hollaender die Leitung des Frankfurter Schauspielhauses anzubieten, was dieser zuerst ablehnte, dann aber doch zusagte und seit dem Sommer jeden Samstag von Berlin nach Frankfurt fuhr, da er in Berlin noch Verpflichtungen gegenüber dem Deutschen Theater hatte. Ab dem 1.4.1914 (zuerst war der 1.9.1913 in Aussicht genommen worden) sollte er ganz in Frankfurt arbeiten. Felix Hollaender hatte für das dortige Schauspielhaus bereits neue Stücke erworben und das Ensemble durch Neueinstellungen in seinem Sinne umgestaltet, als am 17.9.1913 publik wurde, dass er auf die Intendanz verzichte. „Der Aufsichtsrat der Frankfurter Theateraktiengesellschaft versendet […] folgende Mitteilung: ‚Wie uns Herr Felix Hollaender mitteilt, hat er aus Gründen privater Natur seine Stellung in Berlin aufgegeben und wird auch nicht in der Lage sein, das Amt des Intendanten des Frankfurter Schauspielhauses anzutreten. […] Herr Hollaender hat sich entschlossen, seine Tätigkeit aufzugeben, um […] nur seinen schriftstellerischen Arbeiten leben zu können.‘“ [Berliner Tageblatt, Jg. 42, Nr. 472, 17.9.1913, Morgen-Ausgabe, S. (3); vgl. Rücktritt Felix Holländers. In: Frankfurter Zeitung, Jg. 58, Nr. 258, 17.9.1913, 1. Morgenblatt, S. 1] Der Rückzug wurde als Skandal wahrgenommen. „Felix Hollaender […] hat seinen Frankfurter Posten fluchtartig verlassen.“ [Bühne und Welt, Jg. 16, 1. Oktoberheft 1913, S. 45] Die privaten Gründe für den Entschluss wurden benannt, dass nämlich der verheiratete „Holländer seit längerer Zeit Beziehungen zu einer jungen Berliner Schauspielerin unterhält.“ [Prager Tagblatt, Jg. 38, Nr. 255, 17.9.1913, Abend-Ausgabe, S. 2] Das war die am Deutschen Theater engagierte Gina Mayer, später die zweite Ehefrau Felix Hollaenders. meinen „Simson oder Scham und Eifersucht“
zur Aufführung bringstWedekind, der sein neues Stück „Simson oder Scham und Eifersucht“ (1914) am 6.8.1913 seinem Verleger Georg Müller für die Drucklegung der Buchausgabe übergeben hatte [vgl. KSA 7/II, S. 1266, 1273], dürfte mit Felix Hollaender über sein neues Stück gesprochen haben, als er mit ihm am 4.9.1913 den Abend verbrachte: „Mit Felix Holländer essen wir im Elite Hotel zu Abend“ [Tb]; dabei dürfte Felix Hollaender ihm versprochen haben, als zukünftiger Intendant „Simson“ am Schauspielhaus in Frankfurt zu inszenieren, woraus nichts wurde (siehe oben). Den Abend darauf, der Premierenabend von „Franziska“ am 5.9.1913, sah man sich ebenfalls: „Nachher Souper bei Borchard Holländer Frau und Tochter“ [Tb] ‒ das waren Felix Hollaender, dessen erste Ehefrau Johanna Hollaender (geb. Baumgärtner, verwitwete Gaul) und die gemeinsame Tochter Eva Hollaender); da dürfte aber eher über „Franziska“ gesprochen worden sein, vermutlich der Anlass für Felix Hollaender, Wedekind den Beitrag über die „Franziska“-Inszenierung in „Le Figaro“ vom 9.9.1913 (siehe oben) zukommen zu lassen.. Jedenfalls verspreche ich Dir mit in Frankfurt nicht abzuschließen
ohne Dich vorher benachrichtigt zu haben. Für Deine dortige schwere Aufgabe
wünsche ich Dir von ganzem Herzen alles Glück. Am meisten ist | ist die Stadt Frankfurt zu
beglückwünschen, dann aber wohl auch die Deutsche Literatur in ihrer Gesammtheit,
für die Frankfurt bis heute so gut wie unzugänglich war. Ich halte es für eine
aussichtsvolle aber nicht leichte Aufgabe, den satten, seichten, engherzigen
Millionenstolz zuerst zu brechen, um ihn dann in Begeisterungsfähigkeit zu
verwandeln. Wenn dieser Aufgabe etwas gewachsen ist, dann ist es Deine Energie.
Mit besten Wünschen und herzlichsten Grüße von
meiner Frau und mir
Dein alter
Frank Wedekind.