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W. 15, Nachodstr. 24/III
Lieber  Frank,
Du wirst Dir vielleicht schon Gedanken gemacht haben, warum ich mich  so selten sehen lasse Wedekind traf am 8.9.1905 in Berlin ein: „Gehe ins Kleine Theater, treffe Weinhöppel und verbringe den Abend mit Meßthaler Barnowsky Schaumberger und Welisch.“ [Tb] Hans Richard Weinhöppel hat er danach am 18.9.1905 – „Mit Weinhöppel Welisch und Schaumberger im Löwenbräu“ [Tb] – und 4.10.1905 – „Abends mit Weinhöppel Donald“ [Tb] – getroffen. Das nächste Treffen fand erst am 29.11.1905 statt: „Abends mit Welti und Weinhöppel im Weihenstephan.“ [Tb] Danach war man wieder häufiger zusammen.. Ich spinne mich ein, weil es mir finanziell so schlecht geht, daß ich auch die kleinste Ausgabe vermeiden muß. Die letzten Tage waren besonders schlimm! Die Schulden, die ich während der toten SommersaisonWedekind Freund hatte bereits im Sommer, in Berlin auf der Suche der nach einer Stellung, finanzielle Probleme [vgl. Hans Richard Weinhöppel an Wedekind, 18.6.1905] machen mußte, brechen | wie Hochwasser über mich herein. Ich habe bis zum letzten Moment gewartet, an Dich zu schreiben und Dir meine Not zu klagen, da es schließlich doch aussehen könnte, als hätte ich mein Benehmen Dir gegenüberSpannungen zwischen den Freunden waren schon vor Wedekinds Ankunft in Berlin (siehe oben) manifest (siehe die vorangehende Korrespondenz seit dem 8.3.1905). nicht aus Überzeugung, sondern in dem Bewußtsein geändert, daß bei Dir „was zu holen“ sei. Ich gebe mich, was 
Es geht mir also schlecht, – daran ist nicht | zu zweifeln. Und wenn Du mir gerne hilfst, und helfen kannst, so thu’ es, bitte. Betrachte mich als Sparkasse. Die Summe, die Du bei mir einbezahlst, wirst Du später, wenn Du sie benötigst, ohne Widerspruch erheben können. Ehrenschulden habe ich stets ohne Gerichtsvollzieher bezahlt, und ich weiß, daß Dein Geld redlich und  nicht allzuleicht verdient ist. Ich fühle mich auch berechtigt, Schulden zu machen, da ich mit Bestimmtheit darauf rechnen | kann, hier in Berlin Carrière zu machen. Du selbst wirst kaum daran zweifeln. Ich aber zweifle nur daran, ob es mir gelingt, mich diese kommenden schweren Wochen mit ihren Sturmangriffen auf mein geknicktes Portemonneie zu behaupten.
Ich setze nur noch die Versicherung bei, daß eine Ablehnung meiner Bitte für  Dich weitere Folgen (sic!)  nicht haben wird, als daß ich nicht so bald mich werde sehen laßen. Du aber | wirst meine kostbare Freundschaft nicht verlieren; sondern verstehen, daß  1.) ein Hungernder keine Lust zum Trinken hat, 2.) Tram- und Stadtbahnen eminent kostspielig sind, 3.) chronischer  Δάλλης altgriechische Transliteration für: Dalles = Geldnot (umgangssprachlich, jiddischer Herkunft). den Humor beeinträchtigt, 4.) etc. etc.
Ich grüße Dich herzlich und bleibe wie immer DeingetreuerHans Richard
Bestehend aus 4 Blatt, davon 7 Seiten beschrieben
                                            Berlin
8. Oktober  1905 (Sonntag)
                    
 Sicher
           
                                        
                                            Berlin
Datum unbekannt
                    
       
                                        
                                            
Datum unbekannt
                    
                                    
                                        
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Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Hans Richard Weinhöppel an Frank Wedekind, 8.10.1905. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (04.11.2025).
Mirko Nottscheid
Ariane Martin