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Kennung: 2422

Aarau, 29. April 1883 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Stern, Theodor

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Aarau, d 29 Apr. 83.


Lieber Freund!

Die Herrlichkeit hat nicht lange gedauertTheodor Stern war im Herbst 1882 mit seinen Eltern und Geschwistern aus dem Kanton Bern nach Aarau umgezogen (der Vater hatte hier die Pfarrstelle an der evangelischen Kirche angenommen) und wurde dort für ein halbes Jahr Mitschüler Wedekinds in der III. Klasse des Gymnasiums (Schuljahr 1882/83) [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule, Aarau 1883, S. 11]. Otto von Greyerz bat Wedekind darum, sich des neuen Mitschülers anzunehmen [vgl. Otto von Greyerz an Wedekind, 13.10.1882]. Der Pfarrerssohn Theodor Stern, der in Karlsruhe und Bern aufgewachsen war, hatte zuletzt die Lerberschule in Bern, eine Privatschule mit damals humanistischem und religiösem Schwerpunkt, besucht. u morgen od. übermorgenMontag, 30.4.1883 oder Dienstag, 1.5.1883. Am Mittwoch, 2.5.1883 begann das neue Schuljahr (1883/84) in Aarau. schnür’ ich mein Bündel u. schiebe ab nach ConstanzKonstanz besaß damals ein Gymnasium, das „Collegium Josephinum“. Dort dürfte Theodor Stern die Schullaufbahn fortgesetzt und sein Abitur erlangt haben. Nach erfolgreichem Theologiestudium wurde er 1888 in den bernischen Kirchendienst aufgenommen [Täglicher Anzeiger für Thun und das Berner Oberland, Jg. 12, Nr. 109, 8.11.1888, S. (4)], war seit 1892 Vikar in Meixingen (Oberland), seit 1893 reformierter Prediger in Köniz, eröffnete und betrieb 1902-1909 mit seiner Frau die Kuranstalt Waidberg in Bern (Luftkuren) und wechselte in der Folge sein Tätigkeitsfeld wiederholt zwischen Pfarrämtern und Projekten der Lebensreformbewegung.. So trollt man sich weiterWarum Theodor Stern die Kantonsschule Aarau verließ, ist nicht geklärt. Sein Vater Alexander Stern-Zäslin blieb bis 1896 Prediger an der evangelischen Kirche in Aarau, zunächst in der „Bahnhofstraße 1019“ wohnend [Adreß-Buch der Stadt, Aarau 1884, S. 46], später in der „Zschokkestraße 974“ [Adreß-Buch der Stadt, Aarau 1888, S. 115] und schließlich in der „Zeughausstraße 1310“ [Adreß-Buch der Stadt, Aarau 1896, S. 121]. im Leben, nachdem man eben erst wohin gekommen u. kaum Zeit hatte, flüchtig Bekanntschaft zu machen.

Mir graut vor den deutschen | Gymnasien, wenn ich dran denke. Ich wende aber ein radicales Mittel an, nämlich gar nicht daran zu denken. Wollte zuerst nach Freiburg, konnte aber wieder abziehen wegen Überfüllung der obern ClassenDas einzige Gymnasium in Freiburg, das Humanistische Gymnasium, war „der art überfüllt, daß bis beinahe in die obersten Klassen überall Parallelklassen eingerichtet“ worden waren und der erst 1866 in der Bertholdstraße errichtete Neubau in Raumnot geriet [Karlsruher Zeitung, Jg. (1882) Nr. 62, 14.3.1882, Beilage, S. 2]. – Wo ich in Constanz logiren soll, weiß ich noch nicht.

Nimm diese Zeilen zum Abschied, da ich Dich nicht mehr sehen werde u verzeihe meine Eile.

Mit freundl. Gruß
Dein langer
Stern |


P.S. Wenn’s Dich interessirtDas Postscript dürfte darauf anspielen, dass Wedekind am 10.4.1883 nur vorläufig in die IV. Klasse des Gymnasiums versetzt worden war: „Provisorisch promoviert, mit Protest in Französisch. Die Maturität ist zweifelhaft.“ [Kutscher I, S. 55], so hörte ich von in Freiburg, daß Bertsch dort als ausgezeichneter SchülerKarl Bertsch, Mitschüler von Wedekind und Theodor Stern in der III. Klasse des Gymnasiums (Schuljahr 1882/83), hatte die Kantonsschule schon im September 1882 verlassen [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule, Aarau 1883, S. 11] und dürfte seitdem in Freiburg das Humanistische Gymnasium in der Bertholdstraße besucht haben. gilt.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Mischschrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß: 11 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Aarau
    29. April 1883 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    Aarau
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 164
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Theodor Stern an Frank Wedekind, 29.4.1883. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

28.10.2024 11:49
Kennung: 2422

Aarau, 29. April 1883 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Stern, Theodor

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Aarau, d 29 Apr. 83.


Lieber Freund!

Die Herrlichkeit hat nicht lange gedauertTheodor Stern war im Herbst 1882 mit seinen Eltern und Geschwistern aus dem Kanton Bern nach Aarau umgezogen (der Vater hatte hier die Pfarrstelle an der evangelischen Kirche angenommen) und wurde dort für ein halbes Jahr Mitschüler Wedekinds in der III. Klasse des Gymnasiums (Schuljahr 1882/83) [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule, Aarau 1883, S. 11]. Otto von Greyerz bat Wedekind darum, sich des neuen Mitschülers anzunehmen [vgl. Otto von Greyerz an Wedekind, 13.10.1882]. Der Pfarrerssohn Theodor Stern, der in Karlsruhe und Bern aufgewachsen war, hatte zuletzt die Lerberschule in Bern, eine Privatschule mit damals humanistischem und religiösem Schwerpunkt, besucht. u morgen od. übermorgenMontag, 30.4.1883 oder Dienstag, 1.5.1883. Am Mittwoch, 2.5.1883 begann das neue Schuljahr (1883/84) in Aarau. schnür’ ich mein Bündel u. schiebe ab nach ConstanzKonstanz besaß damals ein Gymnasium, das „Collegium Josephinum“. Dort dürfte Theodor Stern die Schullaufbahn fortgesetzt und sein Abitur erlangt haben. Nach erfolgreichem Theologiestudium wurde er 1888 in den bernischen Kirchendienst aufgenommen [Täglicher Anzeiger für Thun und das Berner Oberland, Jg. 12, Nr. 109, 8.11.1888, S. (4)], war seit 1892 Vikar in Meixingen (Oberland), seit 1893 reformierter Prediger in Köniz, eröffnete und betrieb 1902-1909 mit seiner Frau die Kuranstalt Waidberg in Bern (Luftkuren) und wechselte in der Folge sein Tätigkeitsfeld wiederholt zwischen Pfarrämtern und Projekten der Lebensreformbewegung.. So trollt man sich weiterWarum Theodor Stern die Kantonsschule Aarau verließ, ist nicht geklärt. Sein Vater Alexander Stern-Zäslin blieb bis 1896 Prediger an der evangelischen Kirche in Aarau, zunächst in der „Bahnhofstraße 1019“ wohnend [Adreß-Buch der Stadt, Aarau 1884, S. 46], später in der „Zschokkestraße 974“ [Adreß-Buch der Stadt, Aarau 1888, S. 115] und schließlich in der „Zeughausstraße 1310“ [Adreß-Buch der Stadt, Aarau 1896, S. 121]. im Leben, nachdem man eben erst wohin gekommen u. kaum Zeit hatte, flüchtig Bekanntschaft zu machen.

Mir graut vor den deutschen | Gymnasien, wenn ich dran denke. Ich wende aber ein radicales Mittel an, nämlich gar nicht daran zu denken. Wollte zuerst nach Freiburg, konnte aber wieder abziehen wegen Überfüllung der obern ClassenDas einzige Gymnasium in Freiburg, das Humanistische Gymnasium, war „der art überfüllt, daß bis beinahe in die obersten Klassen überall Parallelklassen eingerichtet“ worden waren und der erst 1866 in der Bertholdstraße errichtete Neubau in Raumnot geriet [Karlsruher Zeitung, Jg. (1882) Nr. 62, 14.3.1882, Beilage, S. 2]. – Wo ich in Constanz logiren soll, weiß ich noch nicht.

Nimm diese Zeilen zum Abschied, da ich Dich nicht mehr sehen werde u verzeihe meine Eile.

Mit freundl. Gruß
Dein langer
Stern |


P.S. Wenn’s Dich interessirtDas Postscript dürfte darauf anspielen, dass Wedekind am 10.4.1883 nur vorläufig in die IV. Klasse des Gymnasiums versetzt worden war: „Provisorisch promoviert, mit Protest in Französisch. Die Maturität ist zweifelhaft.“ [Kutscher I, S. 55], so hörte ich von in Freiburg, daß Bertsch dort als ausgezeichneter SchülerKarl Bertsch, Mitschüler von Wedekind und Theodor Stern in der III. Klasse des Gymnasiums (Schuljahr 1882/83), hatte die Kantonsschule schon im September 1882 verlassen [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule, Aarau 1883, S. 11] und dürfte seitdem in Freiburg das Humanistische Gymnasium in der Bertholdstraße besucht haben. gilt.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Mischschrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß: 11 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Aarau
    29. April 1883 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    Aarau
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 164
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Theodor Stern an Frank Wedekind, 29.4.1883. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

28.10.2024 11:49