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T. W.
Mein
lieber, geliebter Frank,
wenn Dir unsere Beziehungen noch ein Bischen wertvoll sind, so
bitte ich Dich, tue etwas für Dich, für Deine gute Stimmung! Ich bitte Dich
darum, auch aus Egoismus. Das Leben ist mir jetzt durch Dich, durch Anna Pamela
u. durch das Kind das ich in mir fühle Kadidja Wedekind, die zweite Tochter, wurde am 6.8.1911 geboren., so reich geworden, dass ich weit mehr
darum zittere wie früher. Aber um mir | alles was mir lieb ist zu erhalten,
brauche ich vor Allem Deine gute Stimmung. Wenn die fehlt, erscheint alles so
anders! Wenn Dich eine Reise auf andere Gedanken bringt, so bin ich die Letzte
Dir im Weg zu stehen. Was Dir Vergnügen macht, wird
Ich fange jetzt an Wedekind notierte am 22.4.1911: „Tilly sagt mir nach dem Abendessen, daß sie jetzt überhaupt erst anfange zu leben.“ [Tb], die richtige Freude am Leben zu haben, wenn
Du aber dadurch um den Genuss | Deines Lebens kommst, dann wird diese Freude
wohl von kurzer Dauer sein.
Vielleicht ist aber alles ganz anders, vielleicht hast Du
wirklich genug von mir u. es wäre das Beste, ich würde meinen Mantel nehmen u.
gehen. Falls es so ist, brauchst Du es mir nur etwas deutlicher zu zeigen u.
ich glaube versprechen zu können, dass Du dann nicht allzu lang auf meinen
Entschluss zu warten brauchst.
Von ganzem Herzen,
Deine Tilly.
Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben
Der 22.4.1911 ist als Ankerdatum gesetzt – nach ungefähren inhaltlichen Kriterien (die Schwangerschaft mit der zweiten Tochter Kadidja) angelehnt an die Datierung des Erstdrucks: „Wiederholt notierte Wedekind im Frühjahr 1911 in seinem ‚Tagebuch‘, er sei depressiver Stimmung. Tilly [...] erzählte ihm am 24.12.1910 erneut, sie sei guter Hoffnung. Laut Wedekinds ‚Tagebuch‘ sagte sie ihm am 22.4.1911, ‚daß sie jetzt überhaupt erst anfange zu leben‘, eine Formulierung, die inhaltlich im vorliegenden Schriftstück ähnlich vorkommt. Außerdem plante Frank ein Berliner Gastspiel ohne Teilnahme Tillys.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 146f.] Das Papierformat des vorliegenden Briefs weicht von dem der früheren Briefe ab, so dem des vorangehenden Briefs aus dem Vorjahr [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 3.4.1910], entspricht aber dem des darauffolgenden Briefs und enthält wie dieser ein aufgeprägtes Monogramm [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 18.5.1911].
Ob der Brief übermittelt wurde, ist angezweifelt worden [vgl. Vinçon 2018, Bd. 2, S. 147] und ist nicht belegt, was aber nicht heißen muss, dass er Wedekind nicht zuging.
München
22. April 1911 (Samstag)
Ermittelt (unsicher)
München
Datum unbekannt
Datum unbekannt
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13
Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 22.4.1911. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2025).
Ariane Martin