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T. W.
Donnerstag,
2. VI Schreibversehen, statt: VII..14.
Mein einziger, mein geliebter Frank,
leider kann ich den Brief erst morgen Früh aufgeben, denn es
ist schon spät. Aber ich will doch nicht zu Bett gehen, ohne Dir zu schreiben.
Morgen sind es acht Tage, dass Du wegfuhrst; vielleicht bekomme ich morgen
einen Brief! Wenn Du wüsstest wie ich mich
danach sehne! Ich hoffe, dass es Dir recht gut geht, u. Du auch ein kleines
Bischen so an mich denkst, wie ich an Dich. |
Die Kinder sind Gottlob wohl u. vergnügt u. schicken Dir viele
Busserln Küsse.. Anna Pamela macht das Schwimmen viel Freude! Die Kleine wünschte
Frau Eysold konnte leider Mittags nicht kommen, weil sie mit
dem Kleinen mit dem vierjährigen Peter Eysoldt, dem Sohn von Gertrud Eysoldt (seit dem 20.12.1899 von Max Martersteig geschieden) und dem Maler Benno Berneis (Heirat am 16.11.1915 in Berlin), der in München wohnte (Nymphenburgerstraße 78) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 49]. Einiges besorgen wollte. Wir trafen uns im Theater. Ich bemühte
mich krampfhaft ihr in Allem zu folgen was sie sprach. Ich sagte wohl einige
Dutzend Male hintereinander: ja, ja,. Ich war so mit ihr be|schäftigt, dass ich
kaum jemand andern sah oder grüßen konnte, obwohl viele Bekannte da waren. Ich
fürchte, ich hab’ vielleicht auch jemand beleidigt.
– Wie kommt es nur, dass mir alles so schwer wird! Wie hat die Frau über alles
nachgedacht, sich mit allem beschäftigt! Nur als wir von den Kindern sprachen,
verstand ich sie vollkommen u. fühlte ich mich ihr nah.
Durch s/n/ Gewitter
Wenn ich nur wüsste, geliebter Frank, wie Du über alles denkst
was uns betrifft! Was hätte ich alles zu lernen u. nachzuhohlen Schreibversehen, statt: nachzuholen. um nur einiger
Maaßen den Platz auszufüllen an dem ich stehe. Es ist so viel, dass ich gar
nicht den Mut habe anzufangen. Der Unterschied zwischen
mir u. andern dummen Gänsen ist nur der, dass ich es weiß, dass ich eine bin.
Ich werde mich aber noch in Deinen Augen sehr herabsetzen.
Sei tausendmal innigst geküsst
von Deiner
Tilly
[am linken Rand um 90
Grad gedreht:]
Übrigens war das heute glaub ich ein ziemlicher Durchfall die Aufführung von Shakespeares „Sturm“ durch das Schauspielhaus Düsseldorf am Münchner Künstlertheater (siehe oben)..
Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben
Das Schreibdatum ist durch den Briefinhalt belegt (der Monat „VI“ für Juni ist eine Verschreibung).
München
2. Juli 1914 (Donnerstag)
Ermittelt (sicher)
München
3. Juli 1914 (Freitag)
Datum unbekannt
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13
Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.7.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2025).
Ariane Martin