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[1. Briefentwurf:]
An
Mit Gewalt reißt des
Schicksals Wut
Grausam uns von einander
Ob auch jeder sein
liebstes tut
Wir ersticken
Tilly gieb mir noch
einen Kuß!
Es kommt ja doch wie es
kommen muß.
Du bist jung und dein
Herzblut wallt
Mächtig dem Glück
entgegen.Ertrag’ u/ich/ meinetwegen
Ich bin alt und der Jahre
Zwingt mich in’s
Eigenbrödeln
Nimmer wollt mit dem
siechen Gast
Ich meine Zeit
vertrödeln.
Tilly gieb mir noch
einen Kuß!
Es kommt ja doch wie es
kommen muß.
[2. Abschrift der
verschollenen Reinschrift durch Heinrich Mann:]
An
Tilly
Mit Gewalt reisst des Schicksals Wut
Grausam uns von einander.
Ob auch Jeder sein Liebstes thut,
Wir ersticken selbander.
Tilly, gieb mir noch einen Kuss!
Es kommt ja doch, wie es kommen muss.
—
Du bist jung und Dein Herzblut wallt
Mächtig dem Glück entgegen.
Keinem grämlichen Aufenthalt
Widme Dich meinetwegen.
Tilly, gieb mir noch einen Kuss!
Es kommt ja doch, wie es kommen muss.
—
Ich bin alt. Des Gebrechens Last Wedekind litt unter seiner nicht heilenden Bauchwunde; so notierte er am 17.2.1918: „Weinkrampf wegen meines Bruches“ [Tb], oder am 23.2.1918 (im letzten Tagebucheintrag vor seinem Tod): „Mein Bruch macht mir Beschwerden.“ [Tb]
—
27/25/.
Bestehend aus 1 Blatt, davon 1 Seite beschrieben
Der 23.2.1918 ist als Ankerdatum gesetzt – das wahrscheinliche Schreibdatum. Tilly Wedekind zufolge schrieb Frank Wedekind das Briefgedicht nach einem Besuch von Shakespeares „Das Wintermärchen“ am Samstagabend in der Nacht vom 23. auf den 24.2.1918 und überreichte es ihr am darauffolgenden Montag, dem 25.2.1918 [vgl. Wedekind 1969, S. 192-194]. Frank Wedekind notierte zu dem Theaterbesuch – Shakespeares Stück wurde an diesem Abend in den Münchner Kammerspielen aufgeführt [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 71, Nr. 98, 23.2.1918, General-Anzeiger, S. 2] – am 23.2.1918: „Mit Tilly in den Kammerspielen. Wintermärchen Mein Bruch macht mir Beschwerden. Ich werde ausfällig Gehe fort komme zurück. Wir scheiden in Frieden.“ [Tb] Im Anschluss daran schrieb er das Briefgedicht. „Die philologisch ermittelbaren Daten innerhalb des Notizbuchs“, das den handschriftlichen Entwurf „überliefert, bestätigen diese Datierung.“ [KSA 1/I, S. 1005].
München
23. Februar 1918 (Samstag)
Ermittelt (sicher)
München
25. Februar 1918 (Montag)
Sicher
25. Februar 1918 (Montag)
Sicher
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13
Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 23.2.1918. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2025).
Ariane Martin