Kennung: 1126

München, 5. September 1898 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Hirschfeld, Georg

Inhalt

Münchner Schauspielhaus
J. Georg Stollberg


Telefonruf 1274.
München, den 5. September 1898.
Neuturmstrasse 1.


Sehr geehrter Herr HirschfeldGeorg Hirschfeld lebte als Schriftsteller in Berlin (Passauerstraße 8/9, Gartenhaus) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1899, Teil I, S. 574].,

wie Sie aus den Blättern gehörtaus der Presse, auch aus Berlin, wo gemeldet war: „Aus München wird uns geschrieben: Das Münchener Schauspielhaus, dies für die Pflege des modernen Dramas so wichtige Kunstinstitut der baierischen Hauptstadt, wird bekanntlich am 7. September wieder eröffnet werden. Wie ebenfalls bereits gemeldet, übernimmt Herr Georg Stollberg, der bisherige Oberregisseur des Schauspielhauses, die Direktion. Fast das gesammte bisherige Personal wurde wieder engagirt. Eröffnet wird das Theater mit dem vieraktigen Schauspiel ‚Die Mütter‘ von Georg Hirschfeld, dem Hauptmanns ‚Biberpelz‘ folgen soll.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 27, Nr. 443, 1.9.1898, Abend-Ausgabe, S. (3)] In München war zuletzt gemeldet: „Die Direktion ersucht uns um Aufnahme folgender Mittheilung: Das ‚Münchner Schauspielhaus‘ beginnt (wie schon erwähnt) am 7. September seine Vorstellungen mit der Aufführung des vieraktigen Schauspiels ‚Die Mütter‘ von Georg Hirschfeld.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 51, Nr. 407, 4.9.1898, S. 2] haben werden, eröffnet Herr Director Stollberg die neue SaisonGeorg Stollberg, zuvor Oberregisseur, nun der neue Direktor am Münchner Schauspielhaus [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 443], eröffnete die zweite Wintersaison des zuvor krisengeschüttelten Theaters, eigentlich eine Neueröffnung, am 7.9.1898 mit Georg Hirschfelds Schauspiel „Die Mütter“ (1896), wie vielfach berichtet wurde (siehe oben). des „Münchner Schauspielhauses“ mit einer Aufführung von „Die Mütter“. Herr Stollberg hat der Inscenirung die denkbar größte Sorgfalt zugewandSchreibversehen, statt: zugewandt. und arbeitet mit Kräften, die sich einer ErstaufführungGeorg Hirschfelds Schauspiel „Die Mütter“ (1896), am 12.5.1895 durch den Verein Freie Bühne am Deutschen Theater in Berlin uraufgeführt und seitdem dort (und andernorts) im Repertoire, hatte am 7.9.1898 zwar am Münchner Schauspielhaus Premiere, in München war es aber durch den Akademisch-dramatischen Verein am 11.3.1896 im Orpheum unter der Regie von Georg Stollberg bereits aufgeführt worden. Die Presse hatte seinerzeit angekündigt: „Der Akademisch-dramatische Verein bringt demnächst vor geladenem Publikum ‚Die Mütter‘ von Georg Hirschfeld zur Aufführung, die gegenwärtig den Spielplan der Deutschen Theaters in Berlin beherrschen und auch an anderen großen Bühnen mit bedeutendem Erfolg über die Bretter gegangen sind.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 49, Nr. 112, 6.3.1896, S. 1] Dann wurde berichtet: „Am vorigen Mittwoch machte der rührige Verein ein zahlreich erschienenes Publikum im Saale des ‚Orpheum‘ mit dem vieraktigen Schauspiele ‚Die Mütter‘ von Georg Hirschfeld bekannt. [...] Die Aufführung unter der Oberregie des Herrn Stollberg war recht gut.“ [Akademisch-dramatischer Verein München. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 49, Nr. 124, 13.3.1896, Morgenblatt, S. 1] Insofern gab es bei der Ankündigung der aktuellen Premiere – „Für unser Münchner Publikum sind ‚Die Mütter‘ Novität“ – eine entsprechende redaktionelle Anmerkung: „Nicht so ganz. ‚Die Mütter‘ sind vom Akademisch-dramatischen Verein aufgeführt worden. D. R.“ [Münchner Schauspielhaus. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 51, Nr. 407, 4.9.1898, S. 2] des Dramas in München als durchaus würdig erweisen werden. Die Hauptrolle wurde einer Schauspielerin von hohem künstlerischen Ernst, eines Frl. Ida MüllerIda Bardou-Müller (geb. Müller), seit dem 11.8.1892 in zweiter Ehe mit Max Bardou verheiratet (erste Ehe am 15.4.1882 mit Maximilian Samst, Scheidung am 10.5.1890), von Georg Stollberg als Ersatz für Irene Triesch verpflichtet und fortan am Münchner Schauspielhaus engagiert [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 443], spielte in Georg Hirschfelds Schauspiel „Die Mütter“ die weibliche Hauptrolle der Marie Weil, wie die Presse ankündigte: „In der Rolle der ‚Marie‘ wird Frl. Ida Müller [...] Gelegenheit haben, sich dem Publikum als neuengagirtes Mitglied des ‚Münchner Schauspielhauses‘ vorzustellen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 51, Nr. 407, 4.9.1898, S. 2] „Die Rolle der Maria wird Frl. Ida Müller Gelegenheit geben, das Münchner Publikum mit ihren künstlerischen Fähigkeiten bekannt zu machen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 51, Nr. 411, 7.9.1898, Vorabendblatt, S. 2] Die Inszenierung war erfolgreich, was nicht zuletzt an ihr lag: „Den Haupttheil des Erfolges kann Frl. Ida Müller [...] für sich in Anspruch nehmen. [...] Jedenfalls bewies sie in der Rolle der Marie Weil, daß sie ein großes ursprüngliches Talent besitzt. [...] Die Einstudirung macht dem künstlerischen Streben und dem Verständniß des neuen Direktors alle Ehre.“ [f.b.: Schauspielhaus. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 101, Nr. 248, 8.9.1898, Abendblatt, S. 2] „Die neue Direktion hat einen glücklichen Griff gethan, als sie ‚Die Mütter‘ zu ihrem Debüt erwählte. [...] Da ist vor Allen Fräulein Ida Müller zu nennen [...]. Ihre Marie Weil ist eine ganz hervorragende Leistung. Die Dame versteht mit einem geringen Aufwand äußerer Mittel eine große, echt künstlerische Wirkung zu erzielen. Eine Schauspielerin moderner Schule, eine denkende Schauspielerin. Fräulein Müller soll Fräulein Triesch ersetzen. Gestern als ‚Marie‘ ließ sie uns diese treffliche Künstlerin nicht einen Augenblick vermissen. [...] Alles in Allem eine sehr gelungene Aufführung. Stollbergs Regie schuf einen stilgerechten Rahmen hiezu. Es gab viel Beifall, mehrmals bei offener Szene.“ [Münchner Schauspielhaus. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 51, Nr. 415, 9.9.1898, Morgenblatt, S. 1] vom Göthe-Theater in BerlinIda Bardou-Müller (siehe oben) war zwar „bisher am ‚Goethe-Theater‘ in Berlin engagirt“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 51, Nr. 407, 4.9.1898, S. 2], wie einerseits zu lesen war, andererseits, dass sie „vom ‚Theater des Westens‘ in Berlin zu uns kam“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 51, Nr. 415, 9.9.1898, Morgenblatt, S. 1]. Die Verwechslung mag dadurch zustande gekommen sein, dass beide Bühnen denselben Besitzer hatten (Bernhard Sehring) und das Goethe-Theater (Direktion: Aloys Prasch) als eigenständige Sprechbühne des Theaters des Westens (Direktion: Heinrich Morwitz) nur kurzzeitig existierte [vgl. Neuer Theater-Almanach 1898, S. 286f.]. In Berlin hieß es über die nach München engagierte Schauspielerin: „Fräulein Ida Müller (Frau Müller-Bardou), die in Berlin von ihrem früheren Engagement am Theater des Westens bekannte erste Liebhaberin und Salondame, ist von dem neuen Direktor des Münchener Schauspielhauses, dem bisherigen Oberregisseur Stollberg, auf ein Jahr unkündbar engagirt worden.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 27, Nr. 427, 24.8.1898, Morgen-Ausgabe, S. (3)] anvertraut. Herr Stollberg würde es als ein ungemein günstiges Omen für seine künstlerischen Bestrebungen betrachten, wenn Sie die/ihm/ Gelegenheit geben wollten, mit der Erstaufführung der „Mütter“ in Ihrer GegenwartGeorg Hirschfeld ist, soweit ermittelt, nicht zur Münchner Premiere seines Stücks gekommen. vor das Münchner Publicum zu treten und beauftragt, mich, seinen DramaturgenWedekind war soeben als Dramaturg und Sekretär am Münchner Schauspielhaus engagiert worden [vgl. Neuer Theater-Almanach 1899, S. 443], wie auch die Presse meldete: „Herr Direktor Stollberg“ hat „als Dramaturgen den bekannten Schriftsteller Frank Wedekind gewonnen.“ [Münchner Schauspielhaus. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 51, Nr. 407, 4.9.1898, S. 2] Wedekind war von Georg Stollberg am 22.8.1898 engagiert worden [vgl. Wedekind an Beate Heine, 25.8.1898], bezahlt wurde er ab dem 7.9.1898 [vgl. Wedekind an Georg Stollberg, 2.9.1898]., Sie höflichst dazu einzuladen. Die Vorstellung findet übermorgen, Mittwoch, den 7. September Abends ½ 8 Uhrum 19.30 Uhr (bis 22.15 Uhr), wie für die Premiere am 7.9.1898 angezeigt war: „Mittwoch, den 7. September. Zum ersten Male: Die Mütter. Schauspiel in vier Akten von Georg Hirschfeld. [...] Anfang halb 8, Ende 10¼ Uhr.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 51, Nr. 412, 7.9.1898, General-Anzeiger, S. 2] statt.

Ich nehme die Gelegenheit wahr, geehrter Herr Hirschfeld, Ihnen die Versicherung meiner größten Verehrung zu übermitteln.

Ihr ergebenster
Fr. Wedekind.


Ich würde es mir als besondere Ehre anrechnen, Sie bei Ihrer Ankunft in München am Bahnhof erwarten zu dürfen.
d. O.


[Kuvert:]


Münchner Schauspielhaus
J. Georg Stollberg


Herrn Georg Hirschfeld
Berlin. W.
Passauerstrasse 8.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 21,5 x 27,5 cm. 1 Seite beschrieben. Mit gedrucktem Briefkopf. Kuvert. 13,5 x 11 cm. 1 Seite beschrieben. Mit gedrucktem Briefkopf.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben. Kuvert im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Wedekind hat den Nachsatz um 90 Grad gedreht auf den linken Seitenrand geschrieben. Das Kuvert ist mit zwei aufgeklebten Briefmarken von je 5 Pfennig frankiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Uhrzeit im Poststempel München: „4 – 5 Nm“ (= 16 bis 17 Uhr).

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
313
Briefnummer:
143
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Burgerbibliothek Bern

Münstergasse 63
3000 Bern
Schweiz

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Fritz Strich
Signatur des Dokuments:
6 Korrespondenz Wedekind
Standort:
Burgerbibliothek Bern (Bern)

Danksagung

Wir danken der Burgerbibliothek Bern für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Georg Hirschfeld, 5.9.1898. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. http://briefedition.wedekind.h-da.de (01.07.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Mirko Nottscheid

Überarbeitet von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

29.05.2024 09:05