München, den 17./II.05.
Hochverehrter Herr Wedekind!
Noch ganz bewegt von dem EindruckeTilly Tschaffon hat als Ensemblemitglied (siehe unten) offenbar am 17.2.1905 die „Generalprobe“ [Tb] zur Uraufführung von Wedekinds Schauspiel „Hidalla oder Sein und Haben“ (1904) am Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) besucht (siehe unten) und gleich darauf den vorliegenden Brief geschrieben., den Ihr herrliches, ergreifendes Werk auf mich machte, gestatte ich mir, Ihnen meine aufrichtigste Verehrung und Anerkennung auszusprechen und wünsche Ihnen einen wohl verdienten ErfolgWedekind notierte am 18.2.1905 die „Uraufführung Hidalla“ [Tb], in der er die Hauptrolle des Karl Hetmann spielte [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 58, Nr. 82, 18.2.1905, General-Anzeiger, S. 3] und die mit den weiteren Vorstellungen äußerst erfolgreich war; registriert wurde, „daß der Publikumserfolg der ersten Aufführungen größer gewesen sei, als aller bis dahin gespielten Stücke Wedekinds“ [KSA 6, S. 536]..
Ihre
ergebene
Tilly TschaffonTilly Tschaffon, die in München „Prinz Ludwigshöhe (Villa Karl)“ [Adreßbuch von München auf das Jahr 1905, Teil I, S. 553] wohnte, war seit kurzem Schauspielerin am Münchner Schauspielhaus [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 503]; dort hatte sie zuletzt am 16.2.1905 in der Rolle der Miss Isabel Coerne in Wedekinds Einakter „Der Kammersänger“ auf der Bühne gestanden, der zusammen mit Oscar Wildes Einakter „Salome“ gespielt wurde, und zwar: „Zum 50. Male. Der Kammersänger. [...] Miß Coerne ... Frl. Tschaffon“ [vgl. Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 58, Nr. 78, 16.2.1905, General-Anzeiger, S. 3]. Die Presse schrieb darüber am 17.2.1905 (im Vorabendblatt einen Tag vordatiert): „Vorher ging die fünfzigste Aufführung von Wedekinds ‚Kammersänger‘, in der der Verfasser, wie schon früher des öfteren, die Titelrolle spielte. Neu besetzt sind nun die Partien der Miß Coeurne [...]. Die kleine Miß wurde von Fräulein Tschaffon mit reizender Naivität recht wirksam dargestellt“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 58, Nr. 81, 18.2.1905, Vorabendblatt, S. 2].