Kennung: 1559

München, 8. September 1909 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Reventlow, Franziska zu

Inhalt

Sehr geehrte gnädige Frau GräfinFranziska zu Reventlow (genannt: die Gräfin, eigentlich Fanny zu Reventlow) war seit Jahren mit Wedekind bekannt und schwärmte für ihn; so notierte sie am 21.4.1902 über einen Besuch bei den Elf Scharfrichtern (mit Roderich Huch): „Ich [...] mit Rodi zu den Scharfrichtern, wo wir unserer gemeinsamen Verliebtheit für Wedekind frönen“ [Tb Reventlow], oder am 5.1.1903 über eine Begegnung mit ihm auf dem „Scharfrichterball“ (sie und ihre Freunde als „griechische Knaben“ verkleidet): „Auch wieder in Wedekind verliebt, er nahm mich gegen Morgen an die Hand, führt mich um sich herum und schaut mich an. Frage ihn, ob ich ihm jetzt endlich einmal gefalle. Darauf ‚fabelhafter‘ Blick, und ich reiße aus, damit dieser große Augenblick durch nichts zerstört würde.“ [Tb Reventlow],

vor mehreren Jahren schrieb mir Frau StrindbergHinweis auf einen nicht überlieferten Begleitbrief; erschlossenes Korrespondenzstück: Frida Strindberg an Wedekind, 28.12.1906. Wedekind notierte am 29.12.1906: „Frida Strindberg schickt mir ein Telegramm von Bernstein.“ [Tb] Was das für ein Telegramm war, ist unklar (es ist nicht überliefert). Max Bernstein war Rechtsanwalt in München, ebenso Wilhelm Rosenthal, der am 28.12.1906 gegenüber dem Amtsgericht Leipzig erklärt hat: „Im Dezember 1906 suchte Wedekind die erwähnten Manuskripte von der Persönlichkeit, die sie sich damals angeeignet hatte, wieder zu erlangen“ [KSA 5/I, S. 1015]; das war Frida Strindberg. Ihr Rechtsanwalt Wilhelm Rosenthal erklärte dem Leipziger Rechtsanwalt Kurt Hezel, der Ernst Rowohlt vertrat, am 30.10.1909: „Die Sache ist die, daß meine Klientin Frau Frida Strindberg vor Jahren von Herrn Frank Wedekind verschiedene Manuskripte geschenkt erhielt, diese dann als sie von München wegzog, einer befreundeten Dame zur Aufbewahrung gab. Vor einiger Zeit sind dann diese Manuscripte abhanden gekommen und durch eine dritte Person Ihrem Herrn Klienten zum Kauf angeboten worden.“ [KSA 5/I, S. 1016] Die Dame war Franziska zu Reventlow. bei der ich mich nach Manuskripten erkundigteHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Frida Strindberg, 27.10.1906. Wedekind hat sich nach dem „Verbleib“ der Manuskripte erkundigt, die sie „nach seiner Flucht in die Schweiz“ am 30.10.1898 „in Verwahrung genommen hatte.“ [KSA 5/I, S. 1015], die in ihren Händen geblieben waren, daß Sie diese Manuscripteein Schulheft mit 20 Gedichten und einem Register aus den Jahren 1877 bis 1881, als Manuskript erhalten sowie als Typoskript überliefert [vgl. Vinçon 1989, S. 447f.], der Prosaentwurf „Eden“ (eine Vorstudie zu „Mine-Haha“, entstanden zwischen 22.4.1890 und 11.9.1892) [vgl. KSA 5/I, S. 886-914, 1024-1028] sowie die Tagebücher Nr. 5 und Nr. 6 (verfasst zwischen 24.5.1889 und 22.10.1890), drei Hefte, die nur noch als Typoskripte erhalten sind [vgl. Vinçon 1989, S. 448]. in VerwahrungFranziska zu Reventlow besaß die Manuskripte nicht mehr, die sie von Frida Strindberg erhalten hatte; sie hatte sie zum Verkauf dem Maler Rolf von Hoerschelmann überlassen, der sie dem Münchner Antiquar Emil Hirsch in Kommission gegeben hatte, welcher sie wiederum durch Vermittlung des Verlegers Hans von Weber am 22.7.1909 und 3.8.1909 erfolgreich dem Leipziger Verlagsbuchhändler Ernst Rowohlt offerierte [vgl. Vinçon 1989, S. 444]. Franziska zu Reventlow schrieb wohl nach dem Erhalt des vorliegenden Briefs an Rolf von Hoerschelmann: „Würden Sie vielleicht so freundlich sein mir gelegentlich auch zu schreiben, welchen von den Wedekind, resp. Strindbergsachen Sie damals verkauft haben und welche noch da sind. Zu meinem Schrecken ist neulich die Frau Strindberg in München aufgetaucht und hat Wedekind gesagt, sie habe mir Manuskripte von ihm zum Aufheben gegeben. Komisch daß das gerade so zusammentrifft, nachdem sich 12 Jahre niemand darum gekümmert hat. Wenn nun noch etwas von den Wedekindsachen da ist, würde ich es ihm event. zurückgeben.“ [Langner 2010, S. 251] hätten und Herr Mühsam bestätigt mir augenblicklichwohl spät abends in der Torggelstube, einem der Stammlokale Wedekinds und Erich Mühsams, das Wedekind am 8.9.1909 notierte: „Dann Torggelstube.“ [Tb] die Thatsache. Empfangen Sie nun zuerst meinen aufrichtigen herzlichen Dank dafür, daß Sie die Sachen während all der Jahre in Verwahrung behalten haben. Wollen | Sie mich wissen lassen, wann ich sie bei IhnenFranziska Gräfin zu Reventlow war als Schriftstellerin in München (Werneckstraße 19, 1. Stock) [vgl. Kürschners Deutscher Litaratur-Kalender auf das Jahr 1910, Teil II, Sp. 1335] verzeichnet; sie hielt sich seinerzeit allerdings gerade in Winkl bei Grabenstätt auf und dürfte den vorliegenden Brief erst nach ihrer Rückkehr in München am 1.10.1909 vorgefunden haben [vgl. Tb Reventlow]. in Empfang nehmen kann, da ich Ihnen nicht die Mühe machen möchte, sie mir zu schicken.

Mit dem Ausdruck vorzüglichsten/r/ Hochschätzung
Ihr ergebenster
Frank Wedekind.


Prinzregentenstr. 50.
8.9.9.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11 x 18 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    8. September 1909 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Franziska zu Reventlow
Signatur des Dokuments:
FR B 51
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Franziska zu Reventlow, 8.9.1909. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (11.04.2025).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Überarbeitet von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

22.12.2024 12:54