Berlin, Marienstraße 9.IV.Wedekind wohnte in Berlin in der Marienstraße 9 (4. Stock links) [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 1.4.1897]. – 30.4.97.
Sehr geehrter Herr BölscheWilhelm Bölsche, Schriftsteller und Naturphilosoph in Friedrichshagen bei Berlin (Ahornallee 19) [vgl. Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1897, Teil II, Sp. 128f.], der von 1890 bis 1893 die naturalistische Zeitschrift „Freie Bühne“ redigiert hatte und zum Friedrichshagener Dichterkreis gehörte [vgl. Wülfing/Bruns/Parr 1998, S. 113].,
wiewol mir Herr KampffmeyerOb Wedekind mit Paul Kampffmeyer oder Bernhard Kampffmeyer gesprochen hat, ist unklar; beide Brüder lebten zusammen mit Wilhelm Bölsche in Friedrichshagen in dem Haus in der Ahornallee 19 [vgl. Wack 2018, S. 232]. sagt, daß Sie
augenblicklich verreistnach Köln, Wilhelm Bölsches Geburtsort, wo seine Braut ihr Elternhaus hatte (siehe unten). sind, um Ihre verehrte BrautJohanna Walther, Tochter des Ingenieurs und Fabrikbesitzers Wilhelm Heinrich Walther (Direktor der Dampfkesselfabrik Walther & Cie.) in Köln (Kaiser Wilhelmring 4) [vgl. Greven’s Adreßbuch für die Stadtgemeinde Köln 1897, Teil II, S. 424], Wilhelm Bölsches Jugendfreundin, die er am 12.6.1897 in Köln heiratete – die Heirat war angekündigt: „Wilhelm Bölsche, Schriftsteller, zu Friedrichshagen, u. Johanna Walther, Kaiser Wilhelmring 4“ [Heirats-Ankündigungen. In: Kölnische Zeitung, Nr. 488, 26.5.1897, 2. Morgen-Ausgabe, S. (3)] und angezeigt [vgl. Kölnische Zeitung, Nr. 544, 12.6.1897, Abend-Ausgabe, S. (3)], seine zweite Ehe; in erster Ehe war er mit Adele Bertelt verheiratet gewesen (Heirat 1892, Scheidung 1895), die inzwischen mit seinem Freund Bernhard Kampffmeyer verheiratet war, wie er Ernst Haeckel am 9.3.1893 aus Friedrichshagen schrieb: „Meine frühere Frau hat sich vor kurzem sehr glücklich wieder verheiratet.“ [URL: https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9578; Zugriff: 30.11.2024] zu besuchen, erlaube ich
mir doch, Sie mit einer Bitte zu behelligen, die zu erfüllen Ihnen wenige
Zeilen kosten würde. Ich bin beauftragt eine Pantomime für den Circus„Bethel. Große Pantomime in vier Bildern“ (1897), als „Auftragsarbeit für den Berliner Zirkus Renz“ [KSA 3/II, S. 803] entstanden, zu Wedekinds Lebzeiten unveröffentlicht [vgl. KSA 3/II, S. 803-807]. Inhaber des in Berlin (Am Cirkus 1) ansässigen „Circus Renz“ [Adreßbuch für Berlin 1897, Teil III, S. 96; Übersichtspläne der Theater, S. XV] war Franz Renz [vgl. Adreßbuch für Berlin 1897, Teil I, S. 1031], dem Wedekind ein „Bethel“-Manuskript geschickt hat [vgl. Wedekind an Franz Renz, 31.3.1897], zu dem der Zirkusdirektor in einem nicht überlieferten Schreiben (siehe unten) noch Wünsche hatte. zu
schreiben. Sie ist schon so gut wie angenommen. Nur bittet man michHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Franz Renz an Wedekind, 15.4.1897., die
Ballets zu verstärken. Der dritte AktDas dritte Bild der Pantomime „Bethel“ [vgl. KSA 3/I, S. 112-132] spielt auf „einer amerikanischen Farm in der Nähe von Siouxcity (Nebraska)“ [KSA 3/I, S. 112]. der Pantomime spielt in der Prärie im
Staate Nebraska. Die Nacht bricht herein | und meine Europäischen Wanderer
legen sich unter freiem Himmel zur Ruhe. Dies ist der Moment wo ich um
Balletfiguren verlegen bin. Ich habe ein Chor leuchtender Mosquitos„leuchtende Mosquitos“ [KSA 3/I, S. 93] gehören zum Personal der Pantomime „Bethel“, die in der Szene III/5 auftreten [vgl. KSA 3/I, S. 120-122]. auftreten
lassen, aber das genügt nicht. Ich brauchte notwendig noch ein Assortiment(frz.) Zusammenstellung. von
durch Farbe und Gestalt auffallender Schmetterlinge, Käferfinden sich nicht im Stück; stattdessen lässt Wedekind in seiner Pantomime „ein Rudel wilder Thiere“ auftreten, darunter „Steppenwölfe, Hyänen, Panther, wilde Hunde und Riesengürtelthiere“ [KSA 3/I, S. 122]. oder auch Pflanzen,
die halb und halb in jene Gegend hineinpassen.
Was mir fehlt ist irgendwelche Kenntniß der Werke in denen ich mich darüber
orientiren könnte, womöglich farbige Atlanten.
Ich wäre Ihnen sehr dankbar wenn Sie mir einige diesbezügliche Namen oder
Fingerzeige ertheilen möchten. Es wäre | mir dann ein leichtes, die Werke auf
der hiesigen Bibliothek zur Einsicht zu erhalten.
Ich bitte Sie, nicht böse zu sein, daß ich Sie in einem
Augenblick, da Sie vielleicht am wenigsten an solche Dinge denken, an Ihre
wissenschaftlichen InteressenWedekind wandte sich an Wilhelm Bölsche als Verfasser der berühmt gewordenen „Entwicklungsgeschichte der Natur“ (1894/96). zurückerinnre, und erlaube mir, diesen Zeilen die
aufrichtigsten Glückwünsche und herzlichsten Grüße an Sie und Ihre verehrte
Fräulein Braut beizufügen.
Ihr
ergebenster
Frank
Wedekind.