Kennung: 2060

Aarau, 11. Februar 1881 - 28. Februar 1881, Briefgedicht

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Laué, Walter

Inhalt

[1. Entwurf (Fragment):]


2. O, wie zittert meine Hand
Denn es sind gar wichtge Dinge
Die ich Dir zu Ohren bringe
Dir noch völlig unbekannt.


17. In dem Ryniker. – Fidel
War’s, denn ein Und mein Gedichte von Rohre,
Von dem Li lieben Samuel,
Machte ungemein Furore. |


Unten in dem Ryniker
Und da brachte ich nun wieder
Ein paar nagelneue Lieder
O, das war gemütlich sehr.


18 Doch als U uns die Abendglocke
Rief um sieben aus der Pforte,
Da sprach ich die ersten Worte
Nun seit einem Jahr zu Zschokke.


19 Alsbald hat er mir verziehen.
Und so ist den endlich heute
Eine Versöhnungsact gediehen
Der mich ungemein erfreute.


20 Uphues, der ist, Gott sei Dank!
Noch bis nächsten Montag krank.
Aber sonst geht alles leider
Auf den
die gewohnten Bahnen weiter.


21 Dienstag ist vor hundert Jahren
Gotthold Lessing abgefahren.
Sanfte Ruhe wünsch ich seinen
Ewig heiligen Gebeinen.


22 S So, mein Walter, gegenwärtig
Bin mit meinem Brief ich fertig.
Und sehr würd es mich entzücken
Thätest bald du Anwort schicken.


23 Schreibe mir auf gleiche Weise
Einen Brief von d/D/einer Reise.
In Dein Leben auch in Brüssel
Steck ich gerne meinen Rüssel.


24 Grüße Jaques und deine Lieben!
Mög +/k/ein Unglück Dich betrüben!
Fang nicht wieder Feuer! und
Vivat unser Dichterbund.


25. Und wenn wir auch viele Meilen
Weges aus einander sind,
So gedenke doch zuweilen
Deines treuen Wedekind. |


[2. Nicht abgesandter Brief:]


Freitag, 11. Februar 1881.


Höre nun, mein lieber Walter!
Um Dir alles zu beschreiben,
Was wir hier in Aarau treiben,
Greif ich nach dem Federhalter.


O, wie zittert meine Hand!
Denn es sind gar wichtge Dinge,
Die ich Dir zu Ohren bringe,
Dir noch völlig unbekannt.


Als der Zug von hinnenAm 8.2.1881 hatte Wedekinds Schulfreund Walter Laué Aarau verlassen, war zunächst für etwa 14 Tage nach Brüssel gereist und Ende Februar in seine Heimatstadt Köln, die er erst im Juni 1880 verlassen hatte, zurückgekehrt. brauste,
Glaube nun/r/, wie es mir grauste,
In der großen StadtDie Kantonshauptstadt Aarau zählte um 1900 circa 7800 Einwohner, Lenzburg knapp 2600. allein
Ohne einen Freund zu sein.


Wie ich heimWedekind wohnte von 1879 bis 1881 in Aarau bei dem Altphilologen und ehemaligen Kantonsschullehrer Professor Friedrich Rauchenstein in der Straße Halden 261 im Aarauer Zentrum [vgl. Kutscher 1, S. 22; zu Rauchenstein vgl. Verzeichniss sämmtlicher Einwohner, Wohn- und Oekonomie-Gebäude der Gemeinde Aarau. Aarau 1881, S. 18]. nun wandle, sieh da!
Treff ich plötzlich Frl. Idanicht ermittelt; das Mädchen, das für Walter Laué geschwärmt haben dürfte, könnte mit dem im zweiten Teil des Briefes (vom 28.2.1881) genannten Frl. Belard identisch sein (siehe unten zu „Frl. Belard“).,
Und bemerkt’ in ihren Blicken
Eine Thräne sie zerdrücken. |


Auch Frau LüscherVermutlich handelte es sich um die Modistin Charlotte Lüscher, die auf der Halden Nr. 279 unweit von Wedekinds Adresse bei Professor Rauchenstein Halden Nr. 261 wohnte. Vielleicht aber war die Schneiderin Emma Lüscher, die auf dem Kirchhof Nr. 162 gemeldet war, gemeint. Dagegen dürfte eine Identifizierung mit der Lumpensammlerin Frau Lüscher in der Golattenmattgasse eher unwahrscheinlich sein. Gleiches dürfte für die vor 1884 offenbar verstorbene Schusterwitwe Lüscher in der Hinteren Vorstadt Nr. 647 gelten [vgl. Verzeichniss sämmtlicher Einwohner, Wohn- und Oekonomie-Gebäude der Gemeinde Aarau. Aarau 1881, S. 12, 18f., 32]., hör ich, wäre
Sehr betrübt, da Ihr nun geht.
Aber in der Zeitung steht,
Daß sie suche PensionäreDie Brüder Jakob und Walter Laué dürften wie Wedekind während der Schulzeit ein Pensionszimmer in Aarau bewohnt haben, das nach der Rückkehr der Familie nach Köln nun wieder zu vermieten war. In den Aargauer Nachrichten Jg. 27 (Februar 1881) sind keine diesbezüglich eindeutigen Vermietungsanzeigen enthalten..


Traurig ob des Kummers Last
Eil ich in die Metzgergasseeine Straße im Zentrum von Aarau.,
Wo die allerbeste Race
Besenin der Sprache der Schüler- und Studentenverbindungen Bezeichnung für Mädchen. d/D/u gefunden hast.


Jetzt war es schon dunkel, und
Aus des Ladens Hintergrund
Kam sieWalter Laués Freundin Bertha Hoch, die Wedekind am Geschäft des Samenhändlers Gustav Hoch-Ernst in der Metzgergasse 61 angetroffen haben wird [vgl. Verzeichniss sämmtlicher Einwohner, Wohn- und Oekonomie-Gebäude der Gemeinde Aarau. Aarau 1881, S. 5]. auf mich zu und wollte,
daß ich ihr erzählen sollte,


Was Du alles noch gesprochen
Und so weiter, aber da –
Meine Schlauheik/t/ kennst Du ja! –
Hatt den Braten ich gerochen.


Und ich meldete ihr großen
Dank für die verhextevermutlich Schreibversehen, statt: verhexten. Rosen,
Und Du werdest gar nicht verfehlen,
Bald mit ihr Dich zu vermählen. |


Möchte sie doch gar nicht klagen
Nur ein Weilchen sich gedulden,
Denn Du habest gleiche Schulden
Ja in Cöln noch abzutragen.


Und als ich nun wurde stummer,
Rief sie aus mit großem Kummer:
„O, wie liebt ich Dich so warm!
Und wie bin ich nun so arm.


Aus geblasen ist mein Licht.
Fort sind unsere Promenaden!“
Dann verhült’Schreibversehen, statt: verhüllt’. sie ihr Gesicht
Und begab sich in den Laden.


Ach, sie dauerte mich sehr.
Und indem ich eilte weiter,
Wurden meine Blicke heiter,
denn ich sah den RynikērMakron über dem „e“ als Hinweis zur Betonung des Vokals. – Vermutlich Friedrich Ryniker, Besitzer der Pintenwirthschaft Ryniker, in der Metzgergasse 102 [vgl. Verzeichniss sämmtlicher Einwohner, Wohn- und Oekonomie-Gebäude der Gemeinde Aarau. Aarau 1881, S. 8]. Es könnte sich auch um den ehemaligen Kantonsschüler Friedrich Ryniker aus Aarau gehandelt haben, der bis August 1880 die zweite von vier Klassen der Gewerbeschule besucht hatte [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule. Aarau 1881, S. 13]..


Hinter einem großen Topfe
Und bei einem Häring saß ich,
Doch den Kummer bald vergaß ich,
der getobt in meinem Kopfe. ––– |


Mittwoch war ein VortragIn den Aargauer Nachrichten [Jg. 27, Nr. 33, 9.2.1881, (S. 4)] war für Mittwoch den 9. Februar, 19.30 in der Aula des städtischen Schulhauses der öffentliche Vortrag „Die Gebirge“ des Professors Heim aus Zürich angezeigt, zu dem Eintrittskarten á 1 Franken erworben werden konnten. Die Naturforschende Gesellschaft teilte in einer weiteren Anzeige auf derselben Seite mit, dass nach dem Vortrag ein „Rendezvous“ mit dem Referenten in der Bierbrauerei Holzach stattfinde. hier,
Und da haben, denke Dir!
In/Um/ der/ie/ S/s/tillen Mitternacht
Sieben Ständchen wir gebracht.


Doch nun hör, was wir getrieben.
Gestern Abend, fünf bis um sieben
Saß die ganze zweite ClasseDas waren neben Wedekind weitere 15 Klassenkameraden der zweiten Gymnasialklasse der Kantonsschule Aarau, zu der auch Walter Laué bis zu seiner Abreise gehört hatte. Der Gymnasialzweig der Kantonsschule war vierstufig angelegt. Ostern fanden die Versetzungen in die nächsthöhere Klasse statt.
w/W/iederum bei einem Fasse


In dem Ryniker fidel.
Und mein m/n/eustes Werk von Rohrenicht ermittelt.,
Von dem lieben SamuelDie Person ist nicht ermittelt. Möglicherweise bestand ein Zusammenhang zum Klassenkameraden Friedrich Rohr aus Buchs, der mit Johann Rohr aus Buchs, dem Inhaber der Aarauer Speisewirtschaft am Holzmarktplatz Nr. 662, wie auch mit dem Besitzer des Gasthofs zum Wildenmann in der Vorderen Vorstadt Nr. 667 verwandt gewesen sein dürfte.,
Machte ungemein Furore.


Doch als uns die Abendglocke
Rief um sieben aus der Pforte,
Da sprach ich die ersten Worte
Nun seit einem JahrIm Februar 1880 hatte Wedekind das Gedicht „An L. B.“ als Travestie auf den Liebesbrief eines Klassenkameraden, der diesem aus der Tasche gefallen war, verfasst, den Mitschülern vorgelesen und an das Mädchen, das er nicht kannte, als erstes von drei Gedichten geschickt [vgl. Frank Wedekind an Friedrich Wilhelm Wedekind, 5.2.1880]. Der ernsthafte Zwist mit dem Schulkameraden Ernst Heinrich Zschokke, er war Urenkel des berühmten Pädagogen und Volksaufklärers Johann Heinrich Daniel Zschokke, stand womöglich in einem Bezug zu dieser Angelegenheit. – Walter Laué war dagegen nicht, wie in der Sekundärliteratur gemutmaßt wird [vgl. KSA 1/II, S. 1955] als Verfasser des Liebesbriefes oder anderweitig in die Angelegenheit involviert, da er erst im Juni 1880, und damit Monate später in die Kantonsschule Aarau aufgenommen wurde. Das belegt ein Schreiben vom 10. Juni 1880, mit dem Rektor Kaspar Maier der „Erziehungsdirection“ anzeigte, „daß nach bestandner Prüfung Laué Walter (in Wildegg) in die 2 Kl. Gymnas. provisorisch“ und „Laué Jakob (in Wildegg) in die 2. Kl. Progym. definitiv aufgenommen worden sind“ und dass die Brüder „bis jetzt das Gymnasium in Köln besucht“ hatten [vgl. Staatsarchiv Aargau. Bestand: Erziehungsdirektion und Erziehungsrat. Signatur: DE02/0166/03]. zu Zschor/k/ke.


Alsbald hat er mir verziehen.
Und so ist denn endlich heute
Ein Versöhnungsact gediehen
Der mich ungemein erfreute. ––– |


UphuesDer aus Westfalen stammende katholische Pädagoge und Philosoph Karl Goswin Uphues war seit 1879 bis zu seinem Weggang (1881) Wedekinds Deutschlehrer an der Kantonsschule Aarau., der ist, Gott sei Dank!
Noch bis nächsten Montag krank.
Aber sonst geht alles leider d
Die gewohnten Bahnen weiter.


Dienstag ist vor hundert Jahren
Gotthold Lessing abgefahrenAm 15.2.1881 jährte sich zum 100. Mal der Todestag von Gotthold Ephraim Lessing..
Sanfte Ruhe wünsch ich seinen
Ewig heiligen Gebeinen. –––


S+/o/, mein Walter, gegenwärtig
Bin mit meinem Brief ich fertig.
Und sehr würd es mich entzücken
Thätest bald Du Antwort schicken.


Schreibe mir auf gleiche Weise
Einen Brief von Deiner Reise.
In Dein Leben auch in Brüssel
Steck ich gerne meinen Rüssel. |


Grüße Jaques und Deine LiebenGemeint waren insbesondere die Eltern, die Wedekind persönlich gekannt haben dürfte. Die Kölner Familie Laué stand in verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Nachfahren der einstigen Fabrikanten-Familie Laué in Möriken-Wildegg. Fanny Laué, Tochter des Emil Laué, für die Wedekind in Jugendjahren schwärmte, war eine Cousine seines Freundes Walter Laué..
Mög kein Unglück Dich betrüben!
Fang nicht wieder Feuer. Und
Vivat(lat.) Er lebe hoch. unser DichterbundWalter Laué und Wedekind dürften den „senatus poeticus“ (siehe dort) genannten Dichterbund gegründet haben..


Und wenn wir auch viele Meilen
Weges auseinander sind,
So gedenke doch zuweilen
Deines treuen


Wedekind.

–––Es folgt ein bis zum Seitenende sich nach unten verjüngender spiralförmiger Schnörkel. |


P. S.


Diese v/V/erse schrieb ich 3 Tage nach Deiner Abreise von Hier, aber w kam nicht dazu sie abzusenden. An Meine damaligen pecuniären Verhältniß/ss/e werden diese Nachlässigkeit einigermaßen entschuldigen. Bald empfieng ich nun Deinen l. BriefWalter Laué an Wedekind, 18.2.1881. der mich ungemein erfreute, aber da Du darin schreibst: „AdieuxLesefehler Wedekinds, statt: Adresse. bis Ende Februar, etwa 26.“ S/s/o dachte ich nicht anders, als d/D/u werdest an besagtem Tage wieder in Geschäften nach Aarau kommen, und in der Aus-sicht auf baldige mündliche Mittheilung hielt ich es für unnöthig Dir noch vorher zu schreiben. Am 26. Febr. war ich auch 3 Mal auf dem Bahnhof, aber wer nicht kam, warst DuOffenbar hatte Wedekind nicht verstanden, daß der Freund ihm nicht nur seine bis zum 26.2.1881 gültige Brüsseler Anschrift (W.[alter] L.[aué] La Nouveau marché aux grains / Bruxelles) mitgeteilt hatte, sondern auch die ab 26.2.1881 gültige Kölner Adresse (W.[alter] L.[aué] Centralbahnhof Cöln a/Rhein). Nach der Rückkehr nach Köln bezog die Familie Laué wieder Wohnung in der Trankgasse 11 am Kölner Centralbahnhof [vgl. Greven’s Adreßbuch für Köln, Deutz und Mühlheim sowie die Umgebung Köln’s. Jg. 26, 1880, S. 109 sowie Jg. 28, 1882, S. 110].. In der Vermuthung daß das Datum für nächstes Jahr gi/bl/t erhielt ich gestern heute Deine l. Kartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walter Laué an Wedekind, 27.2.1881. und in d meiner Herzensangst, Du mögest etwa an Deinem Freunde verzweifeln schreibe ich diese Zeilen. Nun bitte ich noch einmal unterthänigst um Verzeihung. Was B. H. anbetrifft, so kann ich Dir nicht mehr sagen als daß Du bereits einen Lückenbüßer bei ihr gefunden hast, dessen werthen Namen ich aber leider nicht kenne. n/Ni/cht so zufrieden wie B H ist Dein Freund Franklin, der Dich Tag für Tagg Deinen Verlust tiefer empfindet und schon lange aus Verzweiflung in die Aare gesprungen wäre, wenn der/as/ Wasser nicht eine so wiedrige Temperatur besäße.

Du erwartest einige Perlen von meiner Muse. Ich bin aber bei dem hohen Zoll, der auf sollchenSchreibversehen, statt: solchen. Werthsachen steht, nicht im Stande Dir welche zu schicken. Auch steht mein PegasusIn der griech. Mythologie geflügeltes Pferd, Sinnbild der Dichtkunst [vgl. auch KSA I/2, S. 1003]. seit geraumer Zeit im Stall, wo er nicht weniger, als Perlen producirt. Nur bei der allwöchentlichen KlassenkneipeMit Eintritt in die zweite Klasse des Gymnasiums oder der Gewerbeschule durften die Schüler abends zwischen 6 und 10 Uhr gelegentlich ausgewählte Wirtshäuser besuchen. trabt er ein wenig spaziren. Schibler, der sich an der LessingfeierEs dürfte sich um die Lessing-Feier am Dienstag, den 15.2.1881 (abends ½ 8 Uhr) handeln, zu der die Lehrerschaft der Kantonsschule per Anzeige in den Aargauer Nachrichten in die Aula der Schule eingeladen hatte. Die Gedächtnisrede zum 100. Todestag des Dichters hielt der Deutsch- und Geschichtslehrer der Schule, Prof. Dr. Johann Jakob Bäbler. Für das musikalische Begleitprogramm sorgten der gemischte und der Männerchor [vgl. Aargauer Nachrichten Jg. 27, Nr. 37, Montag, 14.2.1881]. mir reuevoll um den Hals warf, ist unserem Dichterbund mit Deiner allv/f/älligen Genehmigung beigetreten. Er arbeitet aufbe auf Bestellung. „Der sentimentale DurrerWedekind zitierte aus Laués Brief vom 18.2.1881 aus Brüssel. Abälard Durrer (seine Zwillingsschwester hieß Heloise – nach dem berühmten mittelalterlichen Liebespaar Abälard und Heloise) aus Kerns, der mit Wedekind und Walter Laué in die zweite Gymnasialklasse der Aargauer Kantonsschule ging, wurde als hochbegabt mit poetischen und philosophischen Neigungen beschrieben. Nach der Matura im Frühjahr 1883 begann er ein Jurastudium an der Universität Zürich. Psychische Probleme, die sich schon lange angedeutet hatten, führten 1891 zur Einweisung in die Psychiatrische Klinik St. Urban, wo Durrer – noch keine 30 Jahre alt – nach zwei Monaten verstarb [vgl. Josef Rohrer, Aus Nidwaldens Vergangenheit: historische Aufsätze (= Beiträge zur Geschichte Nidwaldens. Bd. 37). Stans 1978, S. 136]. hingegen spielt weder c/C/omödie (er wurde tödtlich beleidigt durch diese Deine Voraussetzung) noch hat er Lust dem senatus poeticus(lat.) Dichterbund. Als Mitglieder für den vermutlich von Walter Laué und Wedekind gegründeten Dichterbund werden neben Oskar Schibler auch Adolph Vögtlin und Hermann Huber angeführt. Ob Abälard Durrer doch noch angeworben werden konnte, muss fraglich bleiben, eine Korrespondenz mit ihm ist nicht überliefert. Wahrscheinlich aber ist, daß der in der Literatur in diesem Zusammenhang ebenfalls erwähnte Moritz Dürr, der mit Wedekind in Lenzburg die Schule besucht hatte und sich 1886 umbrachte, mit Abälard Durrer verwechselt wurde und nicht dem senatus poeticus angehörte [vgl. dagegen Kutscher 1, S. 33, KSA I/2, S. 1679]. beizutreten. Aber von Deiner wunderbaren schönen Lyrik erwart ich nunmero doch eine PprobenSchreibversehen, statt: Probe., um sie nach Wunsch Frl. Hoch oder Frl BelardIn den Aarauer Adressverzeichnissen war die Familie Belard (Belart, Bélart) um 1880 nicht vertreten. Aber für wenige Jahre etwa zwischen 1878 und 1883 betrieb ein(e) „Belat-Studer, Frd. von Charmoille (Jura bernois)“ eine Drogerie in der Rathausgasse Nr. 22. Das „Frl. Belard“ könnte eine Tochter gewesen sein, möglicherweise identisch mit dem im Briefgedicht genannten Frl. Ida [vgl. Verzeichniss sämmtlicher Einwohner, Wohn- und Oekonomie-Gebäude der Gemeinde Aarau. Aarau 1879, S. 2 und Aarau 1881, S. 2. – 1877 ist die Firma noch nicht, 1884 nicht mehr in den Aarauer Adressbüchern verzeichnet]. –– In der Sekundärliteratur ist das Mädchen mit einer 1860 geborenen Louise Belard aus Aarau bzw. Brugg identifiziert worden, die mit Wedekinds Gedichten „Ein Nachtabentheuer“ (Juli 1879), „An L.B.“ (entstanden vor dem 5.2.1880, abgedruckt unter dem Titel „Pennal“ – siehe oben Lemma „seit einem Jahr“) und „Louise“ (Herbst 1883) in Verbindung gebracht wird [vgl. KSA I/2, S. 1424, 1816, 1955; Vinçon 2021, Bd. 2, S. 26]. Fälschlich vermutet wurde in diesem Zusammenhang, dass Walter Laué, der zu dieser Zeit noch Schüler in Köln war, im Winter 1879/80 den Liebesbrief schrieb, den Wedekind mit dem Gedicht „An L. B.“ travestierte [vgl. Frank Wedekind an Friedrich Wilhelm Wedekind, 5.2.1880]. auszuliefern, oder dieselben in der Verlagsbuchhandlung H R Sauerländer & Con. drucken zu lassen. Den Profaxenschweizerisch für Professor. Gemeint waren die Professoren der Aarauer Kantonsschule, die Walter Laué unterrichtet hatten und die er in seinem Brief an Wedekind vom 18.2.1881 hatte grüßen lassen. geht es allen Dank ihren RynocerosSchreibversehen, statt: Rhynoceros (Nashorn).-Naturen sehr gut. Deine l. Grüße sind von allen Seiten mit Dank empfangen worden; aber trotz meinen Bestrebungen, Dich zu entschuldigen, hast d/D/u dennoch ein der Classe | durch Dein plötzliches Verschwinden ein schlechtes Andenken zurückgelassen. – Die Muthmaßung, daß ich unter ein Piano gerathen sei, verzeihe ich Dich/r/. Daß Du mich unter das Unkraut zählst ver mögen Dir die Götter verzeihen. Für den Wunsch aber, daß dasselbe noch lange wuchern möge, danke ich Dir von ganzem Herzen und werde mich einst befleißen ihn in reichem Maaße zu erfüllen. – Mein mysteriöses Schweigen ist jetzt gebrochen. Was aber meine Gedichte und Frl. Belard betrifft, der ich dieselben geben soll, so weißt Du ja wol, was man mit den Perlen nicht zu thun pflegt. – Nun grüße alle die Deinen, Hansnicht ermittelt., Jaques e. ct.; auch euern Hund und den Papagei Herrn GermundVielleicht Heinrich Germund, der als Bahnbeamter am Kölner Centralbahnhof arbeitete und in der Trankgasse 20 wohnte, oder ein naher Verwandter von ihm [vgl. Greven’s Adreßbuch für Köln, Deutz und Mühlheim sowie die Umgebung Köln’s. Jg. 28, 1882, S. 59]. und Deine Herrlichkeit selbst.
Franklin Wedekind.


28. Febr. 1881


Gruß von StockerJoseph Stoker aus Ober-Mumpf ging mit Walter Laué und Wedekind in die zweite Gymnasialklasse der Aarauer Kantonsschule..

ZieglerAlfred Ziegler aus Winterthur war ebenfalls Mitschüler von Walter Laué und Wedekind in der zweiten Gymnasialklasse der Aarauer Kantonsschule. Er studierte an der Universität Zürich und wurde 1889 Professor für Geschichte am städt. Gymnasium und an der Kantonsschule in Winterthur. läßt grüßen.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 5 Blatt, davon 10 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
1. Entwurf: Papier. 1 Blatt. 2 Seiten beschrieben. Seitenmaß 8 x 23,5 cm. Gelocht. 2. Nicht abgesandter Brief: Rautiertes Papier. 1 Doppelblatt. 4 Seiten beschrieben. Seitenmaß 13 x 21 cm. 2 Blätter. 4 Seiten beschrieben. Seitenmaß 13 x 21 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
1. Entwurf: Der untere Rand des Papiers ist abgerissen. 2. Nicht abgesandter Brief: Die Seiten 2 bis 8 sind von Wedekind beginnend mit der Zahl „2“ handschriftlich durchnummeriert. Das Briefgedicht vom 11.2.1881 umfasst die ersten drei Bätter mit den Seiten 1-6, das Postscript vom 28.2.1881 das letzte Blatt mit den Seiten 7-8. Auf Seite 8 hat Wedekind unter seine Unterschrift eine spiralförmige, sich zum Fuß der Seite verjüngende Linie gezeichnet. Auf Seite 1 ist zu einer späteren Zeit mit Bleistift notiert: „An Walter Laue“.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der Schreibort ergibt sich aus inhaltlichen Implikationen. Der Brief wurde nicht abgesandt [vgl. Laué an Wedekind, 5.6.1881].

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
13-19
Briefnummer:
2
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Aargauer Kantonsbibliothek

Aargauerplatz
5001 Aarau
Schweiz

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Wedekind-Archiv
Signatur des Dokuments:
Wedekind-Archiv B, Schachtel 11, Mappe 5, Nachträge h
Standort:
Aargauer Kantonsbibliothek (Aarau)

Danksagung

Wir danken der Aargauer Kantonsbibliothek für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Walter Laué, 11.2.1881 - 28.2.1881. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

19.08.2024 11:02