Kennung: 2647

München, 9. März 1912 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Basil, Fritz

Inhalt

Mein lieber Fritz!

Gesternam 8.3.1912. Wedekinds Begegnung mit Albert Steinrück, Hofschauspieler in München [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 552], ist im Tagebuch für diesen Tag nicht vermerkt. Wedekind hat Gespräche in der Sache aber am 26.12.1911 („Unterredung mit [...] Steinrück wegen Wetterstein“) und 27.12.1911 („Unterredung mit Steinrück [...] wegen Wetterstein“) notiert. begegnete ich Steinrück und wir sprachen über die in folge mangelnder Vorbereitung so schmählich gescheiterte WettersteinaufführungDie zuletzt auf den 2.3.1912 angesetzte Uraufführung von „Schloß Wetterstein“ (1912), die in Wien in einer geschlossenen Nachmittagsvorstellung für geladene Gäste, veranstaltet vom Akademischen Verband für Literatur und Musik, stattfinden sollte, wurde „während der Proben abgesagt“ [KSA 7/II, S. 908]. „Schloß Wetterstein“ wurde erst am 15.11.1917 in Zürich uraufgeführt. | in Wien. Ich fragte Steinrück, ob er nicht glaube, daß das Stück hier herauszubringen wäre. Steinrück meinte Ja, wenn Du den LucknerMeinrad Luckner (ein Frauenverführer), Figur in „Schloß Wetterstein“ [vgl. KSA 7/I, S. 100] ‒ Wedekind wünschte sich in dieser Rolle Fritz Basil, Regisseur und Schauspieler am Münchner Hoftheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 551f.]; in Wien hat sie auf den Proben (siehe oben) Alexander Rottmann gespielt. spielen wolltest den in Wien Rottmann in Händen hatte. Die Gerhäuser müßte die LeonoreLeonore von Gystrow (Gemahlin von Rüdiger von Wetterstein), Figur in „Schloß Wetterstein“ [vgl. KSA 7/I, S. 100] ‒ Wedekind wünschte sich in dieser Rolle Ottilie Gerhäuser, Gattin des mit Wedekind befreundeten Tenors Emil Gerhäuser, als Schauspielerin engagiert am Theater am Gärtnerplatz und am Münchner Schauspielhaus [vgl. Neuer Theater-Almanach 1912, S. 562]. spielen. Ich habe nun in Wien | gesehenWedekind war zu den Proben von „Schloß Wetterstein“ vom 24.2.1912 bis 3.3.1912 in Wien gewesen [vgl. Tb]., daß das Stück kinderleicht zu inscenieren ist und eine Aufführung, glaube ich, für alle Beteiligten ein Vergnügen werden könnte.

Ich habe Dir noch immer nicht für die großen schönen WorteFritz Basils Beitrag zur Umfrage „Der Fall Wedekind“ der Münchner Halbmonatsschrift „Janus“ (unterzeichnet: „Friedrich Basil. Regisseur am Hoftheater zu München“) lautet: „Als vor einigen Jahren der Zensur-Beirat ins Leben gerufen wurde, bin ich ihm freudig beigetreten, galt es doch in erster Linie darüber zu urteilen, ob Wedekinds ‚Frühlings Erwachen‘ für die öffentliche Aufführung freizugeben sei. / Ich bin mit aller Kraft, begeistert für die gewaltige Kindertragödie, die wohl wie keine andere erzieherisch und läuternd wirkt, eingetreten, konnte ich doch nach unserer Aufführung im Neuen Vereine, die kurz vorhergegangen war, am besten beurteilen und schildern, welch’ tiefgehende, erschütternde Wirkung sie ausgeübt hatte. / Von der ‚Büchse der Pandora‘ habe ich geweissagt, sie würde in einigen Jahren an jedem vornehmen Theater, vielleicht sogar von diesem oder jenem Hoftheater, aufgeführt werden – mit dieser Weissagung scheine ich leider kläglich Schiffbruch zu leiden, ein großer Schmerz für mich, denn ich halte die ‚Büchse der Pandora‘ für eine gewaltige und erschütternde Menschheitstragödie. / ‚Hidalla‘, ‚Erdgeist‘, ‚Marquis von Keith‘, ‚So ist das Leben‘, ‚Der Kammersänger‘ sollten zu dem feststehenden Repertoire aller Theater, sämtliche Hoftheater inbegriffen, gehören – alle bisher genannten Werke halte ich für Kunstwerke im weiteren Sinne. / Den ‚Totentanz‘ würde ich gerne an allen sogen. intimen Theatern sehen, auf alle Fälle sollte ihn jeder literarische Verein aufführen. / ‚Musik‘ und ‚Oaha‘ möchte ich als Schlüsselstücke, auf deren Tendenz ich nicht näher eingehen will, von öffentlichen Aufführungen ausgeschlossen sehen, sie sind der hohen und erzieherischen Kunst Frank Wedekinds nicht würdig.“ [Fritz Basil: Der Fall Wedekind. In: Janus, Jg. 1 (1911/12), Nr. 12, 15.2.1912, S. 273] gedankt, die Du im „Janus“ über mich geschrieben hast. Ich werde alles aufbieten, | daß Dir die Zukunft recht giebt. Also nochmals innigsten Dank

Mit herzlichem Gruß
Dein alter
Frank Wedekind.


9.3.12.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der Schreibort ist durch das Tagebuch belegt.

  • Schreibort

    München
    9. März 1912 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

„Die Kultur-Umschau“ der Krefelder Zeitung

Titel des Aufsatzes:
Wedekind-Briefe
Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Karl von Felner
Jahrgang:
1923
Kommentar:
Detaillierter Nachweis: Karl von Felner: Wedekind-Briefe. In: „Die Kultur-Umschau“ der Krefelder Zeitung, Jg. 69, Nr. 170, 9.5.1923, S. (1). In der Vorbemerkung heißt es zum Auftakt: „‚Es sind wundervolle Briefe, und sie werfen auf den Menschen Wedekind wegen der Dankbarkeit, die er immer wieder betont, und wegen des bescheiden-kindlichen Sinnes ein feines Licht.‘ Mit diesen Worten begleitet Fritz Basil die Originale der sieben von Wedekind an ihn gerichteten Briefe, die er mir in liebenswürdiger und höchst dankenswerter Weise zum alleinigen und erstmaligen Abdruck in der ‚Krefelder Zeitung‘ zur Verfügung stellt.“ ‒ Zweitdruck: GB 2, S. 267 (Nr. 386).
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Fritz Basil
Signatur des Dokuments:
FB B 356
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Fritz Basil, 9.3.1912. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (03.12.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

12.04.2024 13:20