SZNamensinitialen von Stefan Zweig im gedruckten Monogramm.
Telef. 4123II
VIII. KOCHGASSE 8
WIEN,
Sehr
verehrter Herr Wedekind,
darf ich, der grossen Freundlichkeit gedenkendwohl Anspielung auf das mit handschriftlicher Widmung für Stefan Zweig versehene Manuskript von Wedekinds Stück „Ein gefallener Teufel“, das der Verfasser ihm geschenkt hat [vgl. Wedekind an Stefan Zweig, 24.12.1912]., die ich von Ihnen empfangen
habe, Ihnen sagen, wie sehr froh ich wäre, Ihnen bei Ihrem Wiener AufenthaltWedekind war mit seiner Frau vom 4. bis 13.6.1913 zu einem „Franziska“-Gastspiel (Vorstellungen am 6.6.1913, 9.6.1913 und 12.6.1913) der Münchner Kammerspiele im Deutschen Volkstheater in Wien [vgl. Tb]. Er traf am 4.6.1913 morgens in Wien ein, logierte im Hotel Tegetthoff (dorthin dürfte Stefan Zweig seinen Brief andressiert haben) und hatte gleich um 10.30 Uhr Probe, wie er notierte: „10½ Probe von Franziska“, außerdem: „Ankunft in Wien. Hotel Tegetthoff.“ [Tb] Das Gastspiel war in der Presse angekündigt: „Im Deutschen Volkstheater bringt das Münchener Ensemblegastspiel unter Leitung des Direktors Eugen Robert als nächste Novität Freitag den 6. d. M. das fünfaktige moderne Mysterium ‚Franziska‘ von Frank Wedekind zur ersten Aufführung. Der Dichter und seine Gattin werden die Hauptrollen spielen.“ [Neues Wiener Journal, Jg. 21, Nr. 7044, 4.6.1913, S. 9]
begegnen zu dürfen? Ich würde es als Freude empfinden, wollten Sie an irgend
einem Tage der Ihnen gelegen ist, mit mir speisen, vielleicht in der Nähe der
Stadt in einem der schönen AusflugsorteFrank und Tilly Wedekind unternahmen am 10.6.1913 mit Stefan Zweig einen Ausflug zum Latisberg (genannt: Cobenzl) im 19. Wiener Bezirk am Rand des Wienerwaldes: „Stefan Zweig holt uns zu einer Automobilfahrt nach dem Kobenzl wo wir Werfel Hasenklever und Janowitz treffen.“ [Tb], die ich Ihnen gerne zeigen würde | ich
bin immer bereit und froh zu jeder Stunde, die Sie mir bestimmen. Jedesfalls
aber sehe ich Sie von der Fernevom Theatersaal aus der Blick auf die Bühne – im Deutschen Volktheater in Wien bei einer der „Franziska“-Vorstellungen (siehe oben), die Stefan Zweig offenbar zu besuchen gedachte. in der „Franziska“, die – ich bin dessen gewiss
– auch über diese tropischen TemperaturenIn Wien hatte am 1.6.1913 (Sonntag) eine Hitzewelle begonnen – „Die hundstagsmäßige Hitze, die Sonntag sich einstellte, fand auch gestern ihre Fortsetzung [...]. In Wien erhob sich die Temperatur in der Stadt auf 29.7 gegen 28.4o C vorgestern“ [Neues Wiener Journal, Jg. 21, Nr. 7043, 3.6.1913, S. 4]. „Zu einem wahren Hochsommertag gestaltete sich der gestrige Sonntag. […] um 9 Uhr vormittags wurden […] bereits 27.8 Grad registriert“ [Neues Wiener Tagblatt, Jg. 47, Nr. 149, 2.6.1913, S. 9] – und auch am 4.6.1913 war es in Wien heiß: „In den Straßen der Innern Stadt wurden bis zu 30.4 Grad im Schatten beobachtet. Geradezu unerträglich war die drückende Schwüle auf sonnigen Plätzen“ [Weitere Steigerung der Hitze bevorstehend. In: Neue Freie Presse, Nr. 17522, 5.6.1913, Morgenblatt, S. 10]; die Hitze dauerte noch einige Tage an (am 9.6.1913 war es in Wien noch 28,8 Grad Celsius warm, erst am 10.6.1913 sank das Thermometer auf 24,8 Grad).
triumpfierenSchreibversehen, statt: triumphieren. wird.
In aufrichtiger Verehrung
Ihr ergebener
Stefan Zweig