[Zeichnung: Herz in Flammen]
O Satan,
Warum
schreibst Du mir nicht;/?/ mich brennen wilde HöllenglutenZitat aus Minna von Greyerz Gedicht „Satanella’s Bitte“ (von Wedekind auf 1889 datiert): „O Satan, Satan laß mich los / Mich brennen wilde Höllengluten“ [Austermühl 1989, S. 407]. –– Du
konntest freilich nicht vermuten, daß diese durch Deinen letzten Briefvgl. Wedekind an Minna von Greyerz, 26.7.1889. entfacht
wurden! –– Hohnlächle, schilt mich – es ist mir gleich, denn Erbarmen oder gar
ein andres Empfinden wird Dich nicht für mich beseelen. | So – weiter habe ich
eigentlich nichts zu sagen – nicht wahr, der Vulkanausbruchvgl. dazu das Gedicht „Vesuv“ [Austermühl 1989, S. 398-399] von Minna von Greyerz (datiert auf den 17.1.1889), in dem sie die kurze Liaison mit Wedekind schildert. war kurz oder
erschien Dir nicht einmal als Solcher und doch ist es in dieser Art vielleicht
der Gewaltigste der mich durchbrauste, als ich vorhin anscheinend ruhig u wollüstig rauchend auf dem Divan lag; allein die Feder ist nicht beweglich genug Dir
Näheres, Eingehenderes zu schildern. Solltest Du meinen allzugroßen, viel zu
ausführlichen, deßhalb für Dich langweiligen Briefvgl. Minna von Greyerz an Wedekind, 30.7.1889. nicht bekommen haben? Glaube
nicht, daß ich Dir in Zukunft, wenn Du mich zu lange warten läßt wieder solchen furiosen Wisch als | Mahnung
sende, denn jetzt habe ich mich mir gegenüber selber ausgetobt u bin nun
gefaßt: entweder auf Dein gänzliches Schweigen, (oder eine Zurechtweisung –,
nein, offen gestanden auf die am allerwenigsten), Deine Gleichgültigkeit, Deine Nachsicht oder
eine Satyre. – Satan, Abscheulichster, ich gestehe Dir, weil Du wol kein
Gewissen hast, daß ich seit einiger Zeit an einem tollen BabyKosename Frank Wedekinds (auch: Bebi). Im Tagebuch notierte Wedekind: „Brief von Minna, worin sie behauptet an einem Babyfieber zu leiden.“ [Tb, 21.8.1889]-Fieber laborireleide. – Niemand ahnt meine Leiden u wünscheSchreibversehen, statt: u ich wünsche. es auch nicht, daß außer Dir, Du
Höllengeselle, etwasSchreibversehen, statt: Höllengeselle, jemand etwas. davon erfahre. Prrrr!
Soeben
fiel eine Augen|wimper hernieder. Drei Dinge darf man sich dann wünschen u ich
wünschte: 1. Du wärst bereits eine literarische Berühmtheit 2. Du liebtest mich
u 3. ich wäre Dein. Gelt ich bin kühn? oder gar absurd, bizarr? Was bist dann aber Du, daß ich mir solche
Sprache vor Dir erlaube? O Höllenpein, nicht das zu sein, was man wol möchte!
Alle Deine Gedichte, Briefe u sonstgeSchreibversehen, statt: sonstige. Schriftstücke habe ich kürzlich wieder
durchgelesen u dazu Deine Cigarretten vom letzten Winter geraucht u
geträumt zurück in die teils so goldne Vergangenheit u vor in die noch graue
Zukunft. Wenn Du aber denkst ich schicke Dir zum Schluß einen Kuß, so irrst Du
Dich. Es grüßt Dich Deine
Satanella WedekindSelbstbezeichnung als Gattin des ‚Satans‘ Frank Wedekind [vgl. dazu Minna von Greyerz an Wedekind, 30.7.1889]; dieses Rollenspiel auch in den bereits genannten Gedichten „Vesuv“ und „Satanella’s Bitte“ [Austermühl 1989, S. 398-399 und S. 407]..
[Kuvert:]
Herrn Frkl. Wedekind
Akademiestrasse 21.III
München.