Lieber Walther,
ich danke Dir für Deine freundliche ZusageWedekind hatte gegen Abtretung des erwarteten Erbes seiner verstorbenen Tante um ein Darlehen von seiner Schwester Erika über 3000 Mark gebeten [vgl. Frank Wedekind an Erika Wedekind, 24.8.1900 und 28.8.1900], das sein Schwager Walther Oschwald ihm zusagte [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 1.9.1900 und 3.9.1900]. Zu der langwierigen Erbschaftsangelegenheit siehe die vorangehende Korrespondenz Wedekinds mit seinem Schwager seit dem 6.1.1900.. Dr.
Wolff wird heute noch die Papiere an Dich abgehen lassenDie Korrespondenz Hugo Wolffs mit Walther Oschwald ist ebensowenig überliefert wie die mit Hans Heiliger. und Heiliger von dem
Abkommen benachrichtigen, der seinerseits Dich von der erhaltenen
Benachrichtigung in Kenntnis zu setzen hat.
Laß mich Dir meine Versicherung noch einmal
wiederholen: Ich fühle daß | ich Dir weh gethan habe und bitte Dich das
vergessen zu wollen. In dem Moment als ich den Briefvgl. Wedekind an Walther Oschwald, 1.8.1900. Oschwald hatte sich in seinem verschollenen Brief zu Frank Wedekinds Geburtstag [vgl. Walther Oschwald an Wedekind, 23.7.1900] offenbar über Donald Wedekind beklagt, der kurz zuvor zu Besuch in Dresden war. schrieb konnte mir diese
Thatsache auch wirklich nicht in dem Maße zum Bewußtsein kommen, weil Donald
ein empfindlicher Punkt für mich ist. Ich weiß zu gut, warum er eben so und
nicht anders ist. Ich glaube auch ungefähr zu wissen, wie Du jetzt über mich
denkst. Es widerstrebte Dir einfach, das Wort an mich zu richtenDass er Walther Oschwald mit seinem Brief vom 1.8.1900 tief gekränkt hatte, erfuhr Wedekind von seiner Schwester Erika [vgl. Frank Wedekind an Erika Wedekind, 29.8.1900].. Ich
meinerseits hoffe, daß Gras darüber wachsen wird. Erbschaftsangelegenheiten ha
wiederholen sich ja nicht häufig n und schon GötheIn Goethes Drama „Die natürliche Tochter“ (1803) sagt der Gouverneur im 2. Auftritt des 5. Aufzugs: „Um Gut und Erbe wird sogleich ein Streit, / Um die Person, ob sie die rechte sei, / Gehässig aufgeregt, und wenn Verwandte / Um’s Mein und Dein gefühllos hadern, trifft / Den Fremden, der sich eingemischt, der Haß / Von beiden Theilen, und nicht selten gar, / Weil ihm der strengere Beweis nicht glückt, / Steht er zuletzt auch vor Gericht beschämt.“ [In: Johann Wolfgang Goethe: Werke. Hg. im Auftrage der Großherzogin Sophie von Sachsen. Bd. 10. Weimar 1889, S. 361 f.] stellt in der | „Natürlichen
Tochter“ fest, daß unter allen Umständen immer Streit dabei ausbricht.
Ich muß bei die notwendig auf die 200 M. zurückkommen, die Du im
Frühling die Freundlichkeit hattest mir zu schickenvgl. Walther Oschwald an Wedekind, 19.3.1900.. Ich weiß nicht mehr ob ich
Dir einen Schein dafür ausgestellt habe. Ich bitte Dich, sie von den 3000 M. abzuziehen, mir also nur
M. 2800 zu
schicken. Bei dem Zweck, den ich mit der Anleihe bei Dir im Auge habe kommt es
für mich auf 200 M
mehr oder weniger nicht an. Viel wichtiger wäre für mich, die Summe möglichst
bald zu erhalten, weil ich dadurch weit mehr als 200 M gewinnen kann.
Ich hoffe sehr, daß sich Mamas Zustand | derweil
gebessert hat. Ich werde ihr nächster Tage schreiben sobald ich einige Ruhe
habe.
Grüße Deine liebe Frau herzlich und sage auch ihr
meinen Dank.
Mit den besten Grüßen Dein getreuer Schwager
Frank
München,
3. AugustSchreibversehen, statt: September. 1900