Schloß
Lenzburg, December 1881
Lieber Oskar.
„Wenn Menschen auseinander gehnSchlussverse des Gedichts „Es ist bestimmt in Gottes Rath“ von Ernst von Feuchtersleben, vertont (1839) von Felix Mendelssohn-Bartholdy.
So sagen sie ‚auf Wiedersehn‘“ So dachte auch ich als wir in Aarau von einander
Abschied nahmen, und was mich in Deinem letzten Briefenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Oskar Schibler an Wedekind, 11.12.1881. am meisten freute, war die Nachricht, daß du
wir uns am 23. December, das wäre Freitag, sehen können. Wenn Du Ich
dachte es wohl, daß Du in Solothurn
nicht die gleiche Gemüthlichkeit finden werdest, die d/D/u in Aarau
genossen, aber da Deine Umgebung nun einmal so beschaffen ist, wie Du mir schreibst, so
freut es mich das/ß/ du dort keine Gemüthlichkeit gefunden hast. Was nun
die Vereine anbetrifft, so möchte ich dir rathen, in keinen zu gehen. Du würs/d/est
Dich durch den Eintritt auch für Dein späteres Studienleben an eine gewisse
Menschen|gesellschaft binden, die dir vielleichSchreibversehen, statt: vielleicht. nicht immer angenehm wäre. Zudem weiß ich auch zu gutFrank Wedekinds Bruder Armin und der gemeinsame Freund Moritz Sutermeister waren am 18.5.1881 in Zürich der Studentenverbindung Zofingia beigetreten [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 118].,
daß die Universitätssectionen der Zofingia am liebsten ihre Mitglieder auf dem Gymnasium
abschütteln würden und diese daher doch nur einen sehr zweifelhaften Stand in
der Verbindung behaupten.
Du erinnerst Dich vielleicht noch an Herrn JacobiDer aus Ostpreussen stammende und in Berlin aufgewachsene Literaturhistoriker Daniel Jacoby war vom Herbst 1873 bis 1877 Professor für griechische und deutsche Sprache an der alten Kantonsschule in Aarau, seit 1876 zugleich Privatdozent für deutsche Literatur in Zürich. Im Herbst 1877 folgte er einem Ruf an das neu gegründete Königstädtische Gymnasium in Berlin, wo er bis 1910 lehrte, ab 1881 als Oberlehrer, ab 1890 als Professor. v/g
TschakelEs dürfte sich um den Biernamen Daniel Jacobys handeln., den Vorgänger
von UphuesAm 18.12.1881 verließ Wedekinds Deutschlehrer, Prof. Goswin Karl Uphues, die Aargauer Kantonsschule, um in Breslau die Direktion der höheren Töchterschule zu übernehmen [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule für das Schuljahr 1881/82, S. 6].. Es geht
nun das Gerücht, daß eben dieser Tschakel wieder nach Aarau kommen
werde um seine verlassene Stelle von Neuem allhier sein Segensreiches
Wirken zu beginnenDaniel Jacoby kam nicht zurück an die Kantonsschule Aarau. Stattdessen vertrat Hans Herzog ab Neujahr die vakante Stelle [vgl. Wedekind an Oskar Schibler, 8.1.1882]..
Du verlangst von mir eine nähere Auskunft über mein
öffentliches Auftreten. So höheSchreibversehen, statt: höre.
denn .. Ich Er
erfuhr also von Carl
SchmidtSchüler der IV. Klasse des Gymnasiums der Kantonsschule Aarau und gemeinsamer Freund Wedekinds und Adolf Vögtlins, der seit Frühjahr 1881 in Genf studierte., daß Adolh/p/h
Vögtlin seine ProductAdolf Vögtlin schrieb Gedichte, Erzählungen und Romans.e
in das Thuner
UnterhaltungsblattDas waren die „Erholungsstunden“, die von Carl August Küng redigierte Sonntagsbeilage der Zeitung Thuner-Blatt. Exemplare des 1880 bis 1883 erschienen Wochenblatts sind bisher nicht bekannt [vgl. aber den Nachruf auf Carl August Küng in Thuner-Blatt, Jg. 46, Nr. 90, 10.11.1883, S. (3)] einsandte und da dachte ich, warum ich könne
das auch einmal versuchen. Ich
schriebnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Carl August Küng, 14.11.1881. also dem Redakteur
desselben und auf sein
Verlangenvgl. Carl August Küng an Wedekind, 15.11.1881. sandte ichnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Carl August Küng, 21.11.1881.
ihm eine/i/ge Manuscripte,
die er | wie er mir schreibtvgl. Carl August Küng an Wedekind, 22.11.1881. mit großer
Freude gelesen und habe/t/. Letzten Samstag schickte er mirnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: C. August Küng an Wedekind, 10.12.1881. auch schon
ein Exemplar seiner „Erholungsstunden“ mit meinem „Eduard von HartmannWedekinds erste Publikation, das Gedicht „Eduard von Hartmann“ dürfte am Sonntag, den 11.12.1881 in den „Erholungsstunden“, der Sonntagsbeilage des 44. Jahrgangs des „Thuner Wochenblattes“ erschienen sein. Ein Exemplar der Beilage konnte bislang nicht ermittelt werden.“
darin. Wie groß mein Vergnügen war, endlich einmal etwas Gedrucktes von
aus meiner Fabrik zu lesen kannst Du Dir bei meiner Dir wohl bekannten
Eitelkeit wohl denken. Es überrascht d/D/ich vielleichSchreibversehen, statt: vielleicht. ein Wenig mehr, wenn ich Dich
versichere, daß außer Dir, Carl Schmidt u meiner Wenigkeit, noch kein
Mensch etwas von diesem meinem Schritt erfahren hat.
Du räthst mir, ich möge mich von der Chemie dispensiren
lassen. Sei ohne Sorge. Chemie
wird nicht mich nimmermehr belästigen denn (höre und staune!) sie ist
vom nächsten Frühling an ein facultatives FachDie Hoffnung Wedekinds erfüllte sich nur teilweise. Die im Winter 1881/82 von der Lehrerschaft der Kantonsschule erarbeiteten Reformvorschläge für einen schlankeren Lehrplan traten (in überarbeiteter Form) erst zum Schuljahr 1883/84 in Kraft. Für die „mit Lernstoff und Stundenzahl überhäuften Classen“ der Kantonsschule Aarau wurde „die Zahl der wöchentlichen Stunden um etwas“ herabgesetzt, in einigen Fächern das bisher über die „Anforderungen der Maturitätsprüfung für die Gymnasien [...] hinausgehende Pensum ermäßigt, in andern dagegen in bescheidenem Maße erweitert“ [Programm der Aargauischen Kantonsschule für das Schuljahr 1882/83, S. 9]. Die in Klasse III und IV unterrichtete Chemie wurde von 3 auf 2 Wochenstunden reduziert. Die anorganische Chemie blieb obligatorisch, die Organik wurde aus dem Lehrplan gestrichen. Nur noch fakultativ angeboten wurde in der IV. Klasse des Gymnasiums Theorie der Chemischen Analyse (1 Wochenstunde im Sommerhalbjahr) und das chemische Praktikum (3 Wochenstunden im Winterhalbjahr). Das Fach Philosophie gab es während der Schulzeit Wedekinds nicht [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule für das Schuljahr 1883/84, S. 21]. und welches in der
vierten Classe durch Philosophie ersetzt werden soll.
Du schreibst mir in Deinem l. Briefe nichts von R. C/K/unzRichard Kunz, ehemals Klassenkamerad von Wedekind und Oksar Schibler, hatte im Juli 1880 die Kantonsschule Aarau verlassen und besuchte jetzt die Kantonsschule Solothurn.. Wie geht es ihm und l
wie steht er in seiner Classe? – Auch von Plüß, dem Poetenvielleicht Gottfried Plüß, der im ersten Halbjahr des Schuljahrs 1879/80 mit Oskar Schibler und Frank Wedekind die I. Klasse des Gymnasiums besucht hatte., möchte ich etwas vernehmen und was macht Deine Muse.
In einer so großen Stadt mit | so viel Unterhaltung sollte sie doch wahrhaftig
nicht auf der faulen Haut liegen. Sende mir etwas von Ihr ihr. Deinem
werthen Herrn PhilisterOskar Schiblers Pensionsvater, vermutlich Walther von Arx, Deutschlehrer an der Kantonsschule Solothurn.
lasse ich vielmals danken für seinen freundlichen Gruß.
Nun leb’
wohl schreibe bald und berichte mir auch ob Du am Freitag, den 23 schon hier
sein kannst, denSchreibversehen, statt: denn. am 24.
Morgens werden wir wohl Censur
habenZeugnisse des III. Schulquartals [vgl. Wedekinds Brief an Oskar Schibler vom Januar 1882]..
Grüße alles zu Grüßende; vor allem aber grüße Dich selbst
von Deinem threuen Freunde
Franklin Wedekind.