ELITE HOTEL
BERLINWedekind notierte am 22.5.1914 seine „Fahrt nach Berlin“ [Tb], wo vom 31.5.1914 bis 14.6.1914 ein Wedekind-Zyklus an den Kammerspielen des Deutschen Theaters in Berlin stattfand. N.W.
AM BAHNHOF FRIEDRICHSTR.
Lieber Kurt Martens!
HerlichenSchreibversehen, statt: Herzlichen. Dank für Deine
freundliche Kartenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Kurt Martens an Wedekind, 23.5.1914. Es dürfte sich um eine Bildpostkarte gehandelt haben (siehe unten).. Es tut mir sehr leid, daß wir uns nicht sahenWedekind hat Kurt Martens zuletzt am 29.4.1914 in München gesehen (sie waren im Hoftheater-Restaurant und im Ratskeller): „HTR und RK mit Martens“ [Tb]; ein weiteres verabredetes Treffen vor Wedekinds Abreise aus München (siehe oben) war offenbar nicht zustande gekommen. aber die
Arbeit geht vor. Das ist schön, daß Du fleißig bist. Dein Buch über den
Geschmackder Band „Geschmack und Bildung. Kleine Essays“ (1914) von Kurt Martens, erschienen bei Egon Fleischel & Co. in Berlin, in München drei Wochen zuvor angezeigt: „Kurt Martens läßt soeben bei Egon Fleischel & Co. (Berlin) einen Band kleiner Essays erscheinen, denen er den Gesamttitel gab: ‚Geschmack und Bildung‘.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 226, 3.5.1914, Morgenblatt, S. 3] habe ich mit hierher genommen und werde es während der Siesta
am Nachmittag genießen. Was | ich nach flüchtigem Hies/n/einsehen kenne scheint
mir sehr fein getönt.
Derweil lese ich in der
Zeitung schon Euren AufrufKurt Martens hat danach ein Kreuzchen („x“) als Anmerkungszeichen gesetzt und unten auf der Seite die Anmerkung dazu formuliert: „x bezieht sich auf W’s 50. Geburtstg Martens“ (siehe den Hinweis zur Materialität). Wedekind hat den Aufruf zu seinem 50. Geburtstag noch vor seiner Abreise in München in der Zeitung lesen können: „Man ersucht uns um Aufnahme des folgenden Aufrufs. Am 24. Juli d. Js. wird Frank Wedekind 50 Jahre alt. Um diesem Dichter, der als unserer bedeutendsten Dramatiker um die Freiheit seines Schaffens bis auf den heutigen Tag schwer kämpfen und leiden mußte, ein schwaches Entgelt hiefür und besonders ein Zeichen öffentlicher Verehrung zu bieten, hat sich das unterzeichnete Komitee gebildet. An alle Freunde seiner Persönlichkeit und seines Werkes ergeht hiemit die Bitte, sich durch Stiftung einer Summe zu der geplanten Ehrengabe, die Frank Wedekind an seinem Geburtstage überreicht werden soll, an dieser Feier zu beteiligen und in ihren Kreisen dafür zu wirken. Es handelt sich hier selbstverständlich nicht um die Unterstützung eines Bedürftigen, sondern um die demonstrative Ehrung eines hervorragenden Dichters. Die Zahlung der Beiträge, zu denen das Komitee mit 1000 M den Grund gelegt hat, wird an die Bayerische Vereinsbank München, Promenadenstraße 1, Konto ‚Ehrengabe Frank Wedekind‘ erbeten. Quittung über die Beiträge erfolgt im ‚Zwiebelfisch‘ und im ‚Neuen Merkur‘. Das Komitee: Herbert Eulenberg. Maximilian Harden. Friedrich Kayßler. Thomas Mann. Kurt Martens. Georg Müller. Baron zu Putlitz, Generalintendant. Felix Salten. Hans von Weber.“ [Ein neuer Aufruf für Frank Wedekind. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 258, 21.5.1914, Vorabendblatt, S. 2]. Nun ist es wohl selbstverständlich, daß
ich den Unterzeichnern des Aufrufes wenigstens sofort danke. Dazu werde ich
aber während der nächsten 14 Tage kaum Gelegenheit finden, da doch in diesem
Falle billige Redensarten am allerwenigsten am Platze | sind. Mitte JuniWedekind notierte am 16.6.1914 seine „Abfahrt von Berlin“ [Tb] und war abends zurück in München, wo er den Abend des 19.6.1914 im Hoftheater-Restaurant mit Kurt Martens verbrachte: „HT.R. mit Kurt Martens“ [Tb], der ihn aber bereits am 18.6.1914 gemeinsam mit Joachim Friedenthal zuhause aufgesucht hatte: „Martens und Friedenthal kündigen uns das Banket an. Ich bleibe zu Hause“ [Tb]. Das zu seinem 50. Geburtstag am 24.7.1914 einen Monat vorgezogen veranstaltete Bankett im Hotel Bayerischer Hof in München – Wedekind notierte am 24.6.1914 „50 Geburtstagsbankett“ [Tb] – hatte ein kleinerer Freundeskreis organisiert, darunter Kurt Martens und Joachim Friedenthal. hoffe
ich wieder in München zu sein und freue mich sehr, Dich dann dort zu
finden. Du hast Dir für die Arbeit ja einen herrlichen Fleck Erdebezieht sich wohl auf die Abbildung auf der nicht überlieferten Bildpostkarte (siehe oben), die Kurt Martens an Wedekind geschickt hatte; von welchem Ort sie abgesandt wurde, ist nicht ermittelt – jedenfalls nicht aus Welschnofen in Südtirol, denn Kurt Martens erinnerte sich, dort sei er 1914 erst einige Wochen später gewesen: „im Juni, fuhr ich mit meiner Familie zum Sommeraufenthalt nach Welschnofen, nahe dem Karersee, arbeitete dort in größter Zurückgezogenheit am letzten Teil meiner Trilogie ‚Die alten Ideale‘“ [Martens 1924, S. 137]. ausgesucht.
Solltest Du Hans von WeberHans von Weber, Verleger in München (Bismarckstraße 22, Verlag: Adalbertstraße 76) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 750] und Cousin von Kurt Martens, gehörte nicht nur zu den Unterzeichnern des Aufrufs für eine Ehrengabe zu Wedekinds 50. Geburtstag (siehe oben), der Aufruf (er wurde in zahlreichen Zeitschriften und Zeitungen veröffentlicht) erschien auch in der von ihm verlegten Zeitschrift „Der Zwiebelfisch“ [vgl. Der Zwiebelfisch, Jg. 6 (1914), Heft 2, S. 43], über die auch die Quittierung der Ehrengabe erfolgte. inzwischen sehen, das/n/n grüß ihn
bitte von mir und sag ihm auch vorläufig meinen aufrichtigen Dank so wie
ich Dir danke.
Also auf baldiges frohes
Wiedersehen.
Mit herzlichem Gruß
Dein alter
Frank Wedekind
24.5.14